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Im Takt der Waschmaschine

Anne Rudelbach und Antoine Effroy inszenieren Anderland beim Junge-Hunde-Festival als 40-Minuten-Waschgang  ■ Von Marga Wolff

Dieser Drang, selbst etwas zu produzieren, den Ort der Bühne mit einem ureigenen Statement zu besetzen, wollte sich anfangs nicht so recht einstellen. Das geben Anne Rudelbach und Antoine Effroy unumwunden zu. Dabei war den beiden Tänzern durchaus klar, dass sie nicht länger ausschließlich Material in den Händen irgendeines Choreografen sein wollten.

Ihr erstes Stück Nuit Blanche, entwickelt und aufgeführt vor einem Jahr im Berliner Hinterhoftheater Dock 11 am Prenzlauer Berg, bestach denn auch vor allem in seiner Unaufdringlichkeit. Einer Landschaft gleich, die mit ihrer kontemplativen und dabei zwingenden Architektur an einen Zen-Garten denken ließ, breitete sich die Choreografie vor den Augen der Zuschauer aus. Auch ihr neues Stück Anderland, das beim „Junge Hunde“-Festival heute Premiere hat, begibt sich auf Erkundungsreisen der Topografie von Seelenlandschaften. „Es beschreibt einen Aufbruch“, meint Anne Rudelbach, „in ein Land, das vielleicht nur einen Schritt neben dem bereits bekannten Terrain liegt.“

Eigentlich seien sie beide ja keine so ganz Jungen Hunde mehr, fährt die Hamburgerin hinter vorgehaltener Hand fort. Schließlich blickt sie auf eine 14-jährige, ihr Partner, der Franzose Antoine Effroy, auf eine 12-jährige Tänzerkarriere zurück. Sie studierte an der Essener Folkwang Hochschule, tanzte mehrere Jahre am Folkwang Tanzstudio, bevor sie mit Carolyn Carlson und in Hamburg mit Rica Blunck arbeitete. Effroy studierte klassischen Tanz in Toulon und Avignon, modernen Tanz in Anger, arbeitete dann mit verschiedenen Choreografen in Paris. Beide lernten bei Hans Züllig, tanzten bei Jacques Patarozzi, einem Pina-Bausch-Tänzer der ersten Generation. „Nicht zur gleichen Zeit“, erzählt Effroy, „aber wir haben ähnliche Entwicklungen durchgemacht. Überhaupt war der Tanz in Frankreich in den Achtzigern sehr von Pina Bausch geprägt.“

Begegnet sind sich die beiden schließlich bei Felix Ruckert, wieder einem Ex-Bausch-Tänzer, der seit einigen Jahren mit seiner eigenwilligen Produktion Hautnah weltweit Erfolge feiert. Rudelbach und Effroy gehören zur Stammbesetzung dieses Tanztheaters, bei dem ein Darsteller für jeweils einen Zuschauer spielt und tanzt, Auge in Auge in einem Separee, nachdem sie zuvor den Preis für die Vorstellung ausgehandelt haben. „Meine Souveränität gegenüber dem Publikum hat sich dadurch nicht erhöht“, sagt Rudelbach. Aufgeregt sei sie nach wie vor, bestätigt die feingliedrige Tänzerin.

Wenn sie jetzt als Paar zusammen arbeiten, wollen sie eines auf jeden Fall vermeiden: Ihre private Beziehung hat auf der Bühne nichts zu suchen. Das Verhältnis von Mann und Frau ist, jedenfalls vordergründig, nicht ihr Thema. In Nuit Blanche, das sie ein choreografisches Gedicht an eine schlaflose, durchwachte Nacht genannt haben, standen somit abwechselnd allein sie oder er im Zentrum des Geschehens. Ein sehr behutsames, sensibles Abtasten über die Distanz spiegelte sich darin wieder.

Anderland unterteilt sich nun in zwei Soli und ein Duett. Der Wunsch sei schon da gewesen, gibt Effroy lachend zu, etwas wirklich ganz anderes zu machen. Zuerst dachten sie dabei an eine rein konzeptuelle Arbeit. Doch nun sei es ein ausgesprochen tänzerisches Stück geworden. „Wir sind eben, was wir sind“, meint Effroy. Eine wichtige Erkenntnis, wie beide bestätigen, eben nichts erzwingen zu wollen. Das Alltägliche drängt sich ihnen da wie von selbst auf. Und eigentlich ist es eher ein Zufall, letztlich aus der Not geboren, da der vorgesehene Komponist sie in letzter Minute im Stich gelassen hat, dass sich der Soundtrack nun aus den Geräuschen einer Waschmaschine zusammensetzt.

Das Stück, ein Waschgang von 40 Minuten. Der bestimmt nun die Dramaturgie. Und Anne Rudelbach meint: „Es ergeben sich wunderschöne Momente. Zum Beispiel, wenn zu Anfang das Wasser einläuft, weckt das die Vorstellung, dass die ganze Bühne einmal geglättet wird.“ Effroy fühlt sich dabei an die Weite der dänischen Küstenlandschaften erinnert, die er erst kürzlich bei einem Gastspiel kennen gelernt hat und die ihn nachhaltig beeindruckt hat.

Do, 25. bis Sa, 27. Mai, 1930 Uhr, Kampnagel k1

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