standbild: Im Rollstuhl durch die Zirkuswelt
„Elias, das Zirkuskind“ (Freitag, 22.15 Uhr, Arte)
„Ich bin immer noch der Meinung, dass es ein Irrtum war, dass ich im Zirkus geboren wurde“, berichtet der 13-jährige Elias. Wenn die Kamera von seinem Gesicht abwärts schwenkt, weiß man warum. Elias hat Muskelschwund und kann sich nur im Rollstuhl fortbewegen. Seine Eltern sind Zirkusartisten; meist treten sie mit dressierten Affen und Pferden in die Manege und präsentieren kleinere akrobatische Kunststücke.
Bei Vorstellungen sitzt Elias in der ersten Reihe. Er fiebert mit, lacht, bis ihm die Tränen in den Augen stehen. Später im Film sagt er, der Zirkus interessiere ihn nicht sehr, sei einfach nicht seine Sache – vielleicht verbirgt sich auch eine Portion Selbstschutz hinter der Aussage.
Die Filmautorin Stella Tinbergen hat sich einer ungewöhnlichen Familienkonstellation gewidmet. Ihr Film „Elias, das Zirkuskind“ porträtiert einen behinderten Jungen, der in einer Umgebung voller körperlicher Präsentation und Präzision leben muss. Gerade dieser Gegensatz zwischen der spektakulären, bei Kindern so beliebten Zirkuswelt und Elias’ begrenztem Leben hätte visuell stärker in Szene gesetzt werden sollen.
Die Kamera gewährt keine neuen Perspektiven oder ungewöhnlichen Einblicke. So erfahren wir von Elias’ Mutter zunächst viel Nebensächliches, etwa dass ihr Affen besonders vertraut sind, dann aber auch Aufschlussreiches über die Zeit, in der sie sich gegen ihre Familie durchsetzte, indem sie beschloss, Elias das Leben im Zirkuswagen zuzumuten.
Stella Tinbergen will augenscheinlich zeigen, dass sich Elias wohl fühlt bei seinen Eltern. Selbst wenn der Zirkus ihn nicht integrieren kann, widerfährt ihm hier doch Toleranz als Außenseiter unter Außenseitern. Letztlich bleibt „Elias, das Zirkuskind“ ein solider Dokumentarfilm, an dem man aber die persönliche Handschrift vermisst.
Es sieht so aus, als habe sich die Autorin nicht entscheiden können, ob sie ihren Schwerpunkt auf den Zirkus oder auf die Erlebniswelt der Hauptperson legen sollte. Am Ende kommt dabei eine ausgewogene, aber wenig mitreißende Mischung heraus, die auch keinen neuen Umgang mit der Thematik bietet. LASSE OLE HEMPEL
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen