Kommentar: Im Reich der Videoten
■ Wozu ist eine „Kabelzeitung“ gut?
Bremens Tageszeitungen gehen in die Luft und landen auf der Mattscheibe. Da könnte man als kleine Zeitung natürlich das große Geheul anfangen: Monopolstellung und Meinungsmacht!. Aber ganz so weit ist es ja noch nicht: Zuerst soll die „Kabelzeitung“ den Tageszeitungen und dem Radio das Publikum abgraben. Der Große Bruder Mediengigant droht bisher nur aus der Ferne.
Nein, mich stört etwas anderes: Als ob es nicht schon genug Videoten unter uns gäbe! Im Durchschnitt verbringen die Menschen bei uns mehrere Stunden am Tag vor der Glotze. Immer weniger wird mit der Zeitung geraschelt, immer mehr mit der Fernbedienung gespielt. Dabei sagt das angekündigte Programm der „Kabelzeitung“ alles über die Verflachung auf den Mattscheiben: Keine Politik, nicht mal das Infotainment der Privatsender, sondern knallhartes Serviceangebot: Wo ist die Milch am billigsten, wo steh ich am längsten im Stau. Da wundert es dann nicht, daß die Macher des neuen Fernsehens in der Ausschreibung erst gar keine Journalisten suchen, sondern sich nach „Textern“ umsehen.
Die BremerInnen, von „buten&binnen“ verwöhnt, werden sich noch wundern. Was da auf uns zukommt, ist schon nicht mehr seichtes Programm, sondern die Vorstufe zum Teleshopping. Wozu nützt eine Zeitung, in die man nicht mal Fische einwickeln kann?
Bernhard Pötter
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