: Im Lillehammer-Loch
■ Norwegens Skiverband rettete sich mit knapper Not vor dem Konkurs
Oslo (taz) – Björn Dählie, Espen Bredesen und Kjetil André Aamodt können weitertrainieren. Die Bezahlung ihrer Trainer und Trainingslager, die Startberechtigung bei internationalen Wettbewerben, die Reisekosten und die neuen Skiausrüstungen sind gesichert. Diese „Selbstverständlichkeiten“ standen nämlich wochenlang auf der Kippe: Der norwegische Skiverband ist pleite und hätte er den Konkurs anmelden müssen, wäre Norwegens Wintersport erst mal vor einem dunklen Loch gestanden. Das Licht am Ende des Tunnels kam aus der Schweiz in Form eines Verkaufs der Fernsehrechte. Geld bekommt der Skiverband damit zwar nicht in die Kasse, aber er wird ein Viertel seiner Schulden los und kann sich auf dieser Basis mit seinen Kreditgebern einigen.
Zur Führungsgruppe des schon 1861 gegründeten Verbandes zu gehören, gilt im Lande wie die Aufnahme in den Adelskalender. Was aber offenbar keine Garantie für eine professionelle Führung war. Das finanzielle Vabanquespiel begann mit einer sportlichen Katastrophe. Von der Winterolympiade in Calgary 1988 war das traditionelle Wintersportland Norwegen mit „Null Gold“ zurückgekommen. Gleichzeitig erhielt man den Zuschlag für die Spiele 1994 in Lillehammer. Nichts war von jetzt an zu teuer, um dem Land so viele Goldmedaillen wie möglich zu sichern. Was – es wurden sechs – sportlich zur vollsten Zufriedenheit gelang. „Es war das Ergebnis einer speziellen Art des Dopings“, schreibt die Osloer Tageszeitung VG ein Jahr nach dem großen Fest: „Der Skiverband verschaffte sich Ruhm und Ehre mit fremdem Geld, ohne sich allzugroße Gedanken über die Rückzahlung zu machen. Nicht nur juristisch strafbar ist das, sondern es entwertet nachträglich moralisch noch alle Erfolge.“
Daß die Kulissen nicht schon lange vor Lillehammer einstürzten, wird von den einen mit „kreativer Buchführung“, von anderen als zeitweiliger Erfolg des Prinzips „in die Hose pinkeln, um sich warm zu halten“ erklärt. Künftig zu erwartende Einnahmen wurden buchmäßig vorgezogen, anstehende Ausgaben auf dem Papier auf die nächsten Jahre verteilt. Doch im Sommer wollte die Bank „Kreditkassen“ als größter Darlehensgeber nicht mehr ruhig halten. Nachdem man Ordnung in die verrottete Buchhaltung gebracht hatte, errechnete sich ein Minusbetrag von rund 14 Millionen Mark. Versuche, bei der einheimischen Wirtschaft das Geld aufzutreiben, schlugen fehl. Die hatte schon genug gesponsert und wollte nicht auch noch für Verbandsschulden geradestehen. Die Sportverbände winkten ebenfalls ab. „Wenn der Skiverband eine große Party hatte, soll er auch selbst aufräumen“, sagte Jim Nerdal vom Volleyball-Verband.
Der Verkauf der Fernsehrechte für die nächsten vier Jahre an die Schweizer Halva Management hat den juristischen Konkurs abgewendet, ist aber nicht mehr als ein erneutes Hosenässen. Mit dem Abtrag eines Viertels der jetzigen Schulden gehen alle Einkünfte für Fernsehrechte in den nächsten Jahren flöten. Und zum Überfluß fallen auch so gut wie alle Sponsoreneinkünfte aus, weil die Banken und andere Schuldner sich den Verzicht auf die Rückzahlung der Restschulden mit kostenlosem Werbeplatz bezahlen lassen. Über „vergessene“ Steuerschulden und den Verzicht der staatlichen Fernsehgesellschaft NRK auf die an sie eigentlich schon verkauften Fernsehrechte – man muß sie jetzt aus der Schweiz zurückkaufen – sind es zum großen Teil Norwegens Steuerzahler, die den Konkurs abgewendet haben.
Was auch für das Auffüllen des Lillehammer-Lochs gilt, das immer größer wird. In einer jetzt vorgelegten Übersicht schließen die Ausgaben für das 16 Tage lange Fest mit 7,28 Milliarden Kronen ab, denen Einnahmen von gerade 2,4 Milliarden gegenüberstehen. Wobei der endgültige Abschluß, der weitere Folgekosten, aber wenig neue Einnahmen enthalten dürfte, laut Olympia-Chef Gerhard Heiberg erst im Jahre 2000 vorliegen wird. Den Norwegern war ihr Skisport schon immer sehr viel wert. Langsam wird er aber auch ihnen etwas zu teuer. Reinhard Wolff
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