: Im Kraftfeld des Schmutzigen Krieges
■ Zum Mord an dem Präsidentschaftskandidaten der kolumbianischen Linken
Zwischen Krieg und Frieden müsse man sich entscheiden, so hatte der Präsident der Union Patriotica, Diego Montana Cuellar, vor wenigen Wochen die Absage seiner Partei an den bewaffneten Kampf erklärt. Jetzt zieht die UP als die einzige namhafte linke Partei Kolumbiens - die sich allerdings neben den führenden Liberalen und Konservativen winzig ausnimmt - ihre Beteiligung an den Präsidentschaftswahlen zurück. Ihr Kandidat ist erschossen worden. Nach den über tausend ermordeten UP-Mitgliedern in den letzten fünf Jahren scheint es sinnlos, einen Nachfolger für Bernardo Jaramillo zu suchen.
Für den Frieden zu sein, hilft wenig in einem Land, das vom Krieg beherrscht wird. Und die Kriegsherren sitzen nicht nur in den Drogenkartellen von Medellin oder Cali. Die Regierung Barco hat kaum etwas unternommen, um die PolitikerInnen der UP vor Gewaltanschlägen rechtsextremer Killerkommandos und paramilitärischer Einheiten zu schützen. Auch im Vorfeld zu dem geradezu angekündigten Mord an Jaramillo sah sich die Regierung nicht verpflichtet, sich für die Sicherheit des Präsidentschaftskandidaten einzusetzen. Das minimale demokratische Prinzip, nach dem sich alle legalen Parteien auch tatsächlich zur Wahl stellen können, war von der Regierung anscheinend nicht mehr zu gewährleisten - oder sie wollte es nicht.
In der Tat ist es verdächtig, daß Innenminister Lemos am Vorabend der Ermordung Jaramillos die UP als politischen Arm der Guerilla FARC apostrophiert hat. Lemos Behauptung ist nicht nur falsch. Sie ist vor allem diffamierend. Daß sie auch mörderisch wurde, ist vielleicht ein böser Zufall. Dennoch: Lemos hätte klar sein müssen, daß eine solche Bemerkung Dynamit ist in einem Land, in dem ein UP-Mitglied nach dem anderen von paramilitärischen Organisationen umgebracht wird. Wundern darf sich niemand, wenn die kleine UP, die es bei den letzten Wahlen gerade mal auf vier Prozent brachte, nach dem hohen Blutzoll, den der parlamentarische Weg ihr abverlangte, resigniert. Die letzten Entwicklungen geben denjenigen in der UP Auftrieb, die im bewaffneten Kampf die einzig adäquate Antwort auf die kolumbianischen Verhältnisse sehen.
Annette Goebel
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