: Im Jahr des Drachen: Taiwan peilt Europa an
■ Die „Kleinen Tiger“-Länder müssen aus ihrer einseitigen US-Orientierung heraus
Berlin (taz) Taiwan will im Jahre des Drachen (1988) eine Umleitung seiner Exporte forcieren. Wie Regierung und Wirtschaftsverbände übereinstimmend zum chinesischen Neujahrsfest in der Hauptstadt Taipeh erklärten, soll insbesondere Europa als Exportmarkt erschlossen werden. Die Ausfuhr nach Europa soll jährlich um zehn Prozent steigen, und damit im Jahre 1992 ein Fünftel des Gesamtexports betragen.
Das Vorhaben der Taiwaner ist Ausdruck der bislang sehr einseitigen Außenhandelsstruktur der vier „kleinen Tiger“ Hongkong, Singapur, Taiwan und Südkorea, die sich seit einiger Zeit einer blühenden Exportkonjunktur erfreuen. Insbesondere letzteres Land hatte sich vor allem auf den US-Markt orientiert.
Weil – wie die Währungen der übrigen „kleinen Tiger“ auch – der südkoreanische Won gegenüber dem weltweit billiger werdenden Dollar einen nahezu konstanten Kurs aufrechthielt, waren die Exportgüter des Landes in den USA nach wie vor konkurrenzfähig, während sich die Waren aus Europa und Japan für die US- Amerikaner verteuerten. Insbesondere Südkoreas Exportindustrie fürchtet nun, eine Hauptleidtragende des Bemühens der USA zu sein, weniger zu importieren, um das Handelsdefizit auszugleichen. Einer solch einseitigen Abhängigkeit will man nun in Taiwan offenbar entgegensteuern.
Der Handel Taiwans mit Europa stieg bereits 1987 auf 13 Milliarden Dollar nach acht Milliarden im Vorjahr. Der Anteil an der Gesamtausfuhr beträgt damit jetzt zwar knappe 15 Prozent, am europäischen Im- und Export hält der Inselstaat jedoch nur ein mageres halbes Prozent.
Der halbstaatliche China External Trade Development Council (CETRA) hat angekündigt, 1989 Handelszentren in Hamburg und Rotterdam zu eröffnen, denen bei Bewährung weitere in London, Paris und Wien folgen sollen. Dabei unterhält Taipeh wegen der Haltung zu Peking noch nicht einmal regelrechte diplomatische Kontakte zur EG. Die Euro-Asia Trade Organisation (EATO), die die inoffiziellen Wirtschaftskontakte pflegt, erklärte jedoch jetzt, das Verhältnis beider habe sich wesentlich gebessert. Ursache dafür sei die stärkere Verhandlungsposition Taiwans, das nunmehr zur zwölftgrößten Handelsnation und zum zehntgrößten Exporteur aufgestiegen sei. Inzwischen halte sich Peking auch mit Protesten gegen Taiwans Außenkontakte zurück. ulk
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