Im Iran verhaftete deutsche Journalisten: Bei Recherche Knast
Wegen eines Interviews mit dem Sohn der zum Tod verurteilten Iranerin Sakineh Mohammadi Aschtiani sitzen zwei deutsche Journalisten in Haft. Ihnen droht ein Prozess.
![](https://taz.de/picture/294338/14/iran_foreign_minister_sprecher_1210.20101012-17.jpg)
Seit Sonntag sitzen zwei deutsche Journalisten im Iran in Haft. Sie wurden in der nordwestiranischen Stadt Tabris bei einem Interview mit dem Sohn der zum Tod durch Steinigung verurteilten Iranerin Sakineh Mohammadi Aschtiani festgenommen.
Ob und wann die beiden freikommen werden, ist vollkommen ungewiss. Sollte sich herausstellen, dass sie Kontakte zur Exilopposition unterhalten oder gar in deren Auftrag das Interview führen wollten, wird man sie vermutlich wegen Verletzung der nationalen Sicherheit und Spionage vor Gericht stellen.
"Die beiden Ausländer befinden sich derzeit in Haft", sagte der Sprecher der Justiz, Gholam Hossein Mohseni Ejehi, am Montag. Sie seien als Touristen in den Iran gereist und hätten über einen "flüchtigen" Iraner Kontakt mit Aschtianis Familie aufgenommen. Iranischen Medien zufolge soll ein im Ausland lebender Anwalt Aschtianis den Kontakt arrangiert haben.
Noch deutlicher als Ejehi äußerte sich der Sprecher des Außenministeriums, Ramin Mehmanparast. Die festgenommenen ausländischen Journalisten hätten Kontakt zu oppositionellen Gruppen, sagte er am Dienstag. Die beiden Männer hätten "Touristenvisa und Verbindungen zu antirevolutionären Gruppen".
Sie hätten sich als Journalisten ausgegeben und einen "Bericht" über ihr Treffen mit dem Sohn Aschtianis vorbereitet. Dies sei der Grund für ihre Festnahme, fügte der Sprecher hinzu. Die Reporter müssten bis zur Klärung der Angelegenheit in Haft bleiben.
Unbestätigten Angaben zufolge handelt es sich bei den Inhaftierten um einen Journalisten und einen Fotografen. Demnach sollen auch Aschtianis Sohn, Sadjad Ghanbarzadeh, und ihr Anwalt, Djawid Hutan Kian, in dessen Kanzlei das Interview erfolgte, festgenommen worden sein.
Wie die in Deutschland lebende Sprecherin des Komitees gegen die Steinigung, Mina Ahadi, der Presse sagte, hatte sie als Übersetzerin per Telefonkonferenz an dem Interview teilgenommen. Mitten im Gespräch habe einer der Journalisten plötzlich gerufen: "Was ist hier los?" und ihr dann gesagt, er könne das Interview unter den gegebenen Umständen nicht mehr fortsetzen, und den Hörer aufgelegt.
Alle Versuche, danach mit dem Sohn oder Anwalt Kontakt aufzunehmen, seien vergeblich gewesen. Sie habe die starke Vermutung, dass auch sie festgenommen worden seien.
Ghanbarzadeh hatte sich, wie die oppositionelle Internetseite roozonline berichtet, Tage zuvor die italienische Regierung um politisches Asyl gebeten und sie aufgefordert, sich für die Rettung seiner Mutter einzusetzen. "Sicherheitsbeamte haben die Wohnung unseres Anwalts Kian durchsucht und sämtliche Unterlagen und Akten beschlagnahmt. Wir alle sind harten Repressionen und Kontrollen ausgesetzt", zitierte ihn roozonline.
Die heute 43-jährige Aschtiani wurde im Mai 2006 wegen "unerlaubter Beziehungen" zu zwei Männern mit 99 Peitschenhieben verurteilt. Die Strafe wurde auch vollzogen. Im September desselben Jahres verurteilte ein anderes Gericht sie wegen Ehebruchs und Mordes an ihrem Mann zum Tod durch Steinigung.
Dieses Urteil wurde im Mai 2007 vom obersten iranischen Gericht bestätigt. Aschtiani hatte in diesem zweiten Verfahren ihr anfängliches Geständnis widerrufen und behauptet, dieses sei unter Zwang zustande gekommen.
Die Mutter von zwei Kindern sitzt in einem Gefängnis. Im Sommer dieses Jahres folgte ein weiteres Geständnis: Im Fernsehen räumte sie eine außereheliche Beziehung zum Cousin ihres Mannes ein, dem sie auch geholfen habe, ihren Ehemann zu töten. Sie habe das Opfer bewusstlos gemacht, der Cousin habe den Mord dann mit ihrer Billigung begangen. Inwieweit das Geständnis erzwungen wurde, ist unklar.
Ihr Fall hatte weltweit für Empörung und Proteste gesorgt. Offenbar war es dieser Druck von außen, der im Juli 2010 die iranische Justiz dazu veranlasste, die Steinigung vorläufig auszusetzen.
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