piwik no script img

Zum Tode verurteilte AschtianiIranerin will Reporter verklagen

Die zum Tode verurteilte Iranerin Aschtiani will die zwei inhaftierten deutschen Journalisten verklagen, die über ihren Fall berichten wollten. Prominente Deutsche fordern die Freilassung der Männer.

Sakine Mohammadi Aschtiani schaut während der Pressekonferenz ihren Sohn Ghadersadeh an. Bild: reuters

TABRIS/BERLIN afp/dpa | Die wegen Ehebruchs zum Tod durch Steinigung verurteilte Iranerin Sakine Mohammadi Aschtiani sagte, sie wolle "diejenigen verklagen, die Schande über mich und das Land gebracht haben". Gemeint sind damit die zwei im Iran inhaftierten deutschen Reporter der Bild am Sonntag (BamS). Aschtiani äußerte sich zu ihrem Fall am Samstag vor ausländischen Journalisten in der nordwestiranischen Stadt Tabris. Hundert Prominente forderten derweil die Freilassung der Deutschen.

Verklagen wolle sie "die beiden Deutschen", ihren ehemaligen Anwalt Mohammed Mostafaie, den Mörder ihres Ehemannes, Issa Taheri, sowie die in Deutschland lebende Sprecherin des Komitees gegen die Steinigung, Mina Ahadi, sagte Aschtiani. "Ich trete aus eigenem Willen vor die Kameras, um zu der Welt zu sprechen", sagte die 43-Jährige, die seit 2006 in Haft sitzt.

Ihre kurze Pressekonferenz war von Justizvertretern im Gästehaus einer staatlichen Wohlfahrtsorganisation angesetzt worden. Sie wolle reden, weil viele Menschen ihren Fall "ausgebeutet" und behauptet hätten, sie sei gefoltert worden, "was eine Lüge ist", sagte Aschtiani.

Michael Backhaus, stellvertretender Chefredakteur der Bild am Sonntag, sagte in Berlin: "Wir finden es befremdlich, dass eine Frau, die im Iran zum Tode verurteilt worden ist, für einige Stunden das Gefängnis verlassen darf, um vor westlichen Medien anzukündigen, dass sie Journalisten, die über ihren Fall berichten wollten, anzeigen will."

Ahadi sagte, Aschtiani stehe "unter enormem Druck". "Und sie sagt sowas unter Druck." Eine Klage sei für sie überhaupt kein Problem. Teheran "versucht jetzt lächerliche Sachen. Es zeigt, unsere Arbeit hat Wirkung", sagte die Sprecherin des Komitees gegen die Steinigung.

Der Sohn Aschtianis bat erneut um Gnade für seine Mutter. Zugleich äußerte er am Samstag bei einem von den örtlichen Justizbehörden organisierten Treffen mit der Presse die Überzeugung, dass seine Mutter und deren Freund Issa Taheri seinen Vater ermordet hätten: "Ich halte meine Mutter und Issa Taheri für die Mörder meines Vaters, die beiden sind schuldig." Den BamS-Reportern, Mostafaie und dem zweiten, ebenfalls inhaftierten Anwalt, Dschawid Hutan Kian, warf Ghadersadeh vor, die Lage "verschlimmert" zu haben.

In einem Appell forderten hundert deutsche Spitzenvertreter aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport vom Iran die Freilassung der Journalisten. An der Solidaritätsaktion in der BamS beteiligten sich mehrere Bundesminister, Vertreter aller Bundestagsparteien, Wirtschaftsführer sowie Nobel- und Oscarpreisträger.

Gebot der Humanität

Außenminister Guido Westerwelle sagte: "Die beiden (Reporter) müssen so schnell wie möglich freikommen und nach Deutschland zurückkehren. Dafür werde ich mich auch im neuen Jahr mit ganzer Kraft einsetzen." Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor sagte: "Ich appelliere an den Iran, die beiden so schnell wie möglich freizulassen. Ein Staat, der wie der Iran ständig um Verständnis wirbt, sollte darauf achten, dies nicht auf anderen Gebieten zu verspielen." Finanzminister Wolfgang Schäuble und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen appellierten ebenfalls an die Regierung in Teheran, die beiden Deutschen zu ihren Familien zurückkehren zu lassen.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel forderte eine umgehende Freilassung der Journalisten: "Das ist nicht nur eine Frage der Pressefreiheit und der Menschenrechte, sondern auch ein Gebot der Humanität." Für die Grünen erklärte Fraktionschef Jürgen Trittin: "Steinigungen, Folter und Unterdrückung gehören zum traurigen Alltag im Iran. Wer darüber berichten will, wird eingesperrt. Dazu dürfen wir nicht schweigen! Die beiden Reporter von Bild am Sonntag müssen sofort freigelassen werden."

Der Vorsitzende der Linke-Fraktion im Bundestag, Gregor Gysi, fordert ebenfalls eine sofortige Freilassung der Journalisten. Ihre Inhaftierung sei "indiskutabel". CSU-Chef Horst Seehofer appellierte an die Machthaber in Teheran: "Lassen Sie die beiden Journalisten nach Hause."

"Sie haben nur ihre Arbeit gemacht"

Für die Wirtschaft schlossen sich der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, der Vorstandsvorsitzende der Telekom, Rene Obermann, BMW-Chef Norbert Reithofer, Bahn-Chef Rüdiger Grube und Metro-Chef Eckhard Cordes der Forderung nach Freilassung an. Daimler- Vorstandsvorsitzender Dieter Zetsche erklärte: "Ein Land, das in der Welt respektiert werden will, sollte auch die Pressefreiheit respektieren."

DGB-Chef Michael Sommer forderte ebenfalls die sofortige Freilassung der beiden deutschen Journalisten: "Sie haben nichts anderes gemacht als ihrer Arbeit nachzugehen." Zu den prominenten Sportlern, die die Freilassung der Journalisten fordern, gehören unter anderem Nationalspieler Philipp Lahm, Handball-Bundestrainer Heiner Brand, Trainer Felix Magath, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Thomas Bach, Rennfahrer Michael Schumacher, Franz Beckenbauer und Günther Netzer.

Künstler wie Udo Jürgens, Hannelore Elsner, Maria Furtwängler, Uschi Glas, Jan-Josef Liefers, Peter Maffay und Udo Lindenberg verwenden sich ebenfalls für die Freilassung der Reporter. Die deutsche Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller äußerte die Hoffnung, "dass der Iran die beiden Journalisten nicht als Faustpfand benutzen will für andere Interessen".

"Willkür herrscht in Teheran"

Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff beklagt: "Willkür herrscht in Teheran, einer Stadt, die ich liebe." Und der Schriftsteller Martin Walser forderte die Bundesregierung auf, "sich mit allen Mitteln für die Freilassung der beiden deutschen Journalisten aus iranischer Haft einzusetzen".

Aschtiani war 2006 von der iranischen Justiz wegen Ehebruchs und Mordes an ihrem Mann zum Tod durch Steinigung verurteilt worden. Die drohende Vollstreckung des Urteils hatte international Proteste ausgelöst. Ihr Sohn Ghadersadeh war am 10. Oktober zusammen mit seinem Anwalt und den zwei deutschen Reportern in Tabris festgenommen worden, als diese ihn zu dem Fall befragen wollten. Er befindet sich nach eigenen Angaben seit dem 12. Dezember gegen Kaution auf freiem Fuß. Die iranische Justiz überprüft derzeit das Urteil gegen Aschtiani. Den beiden Reportern wirft sie vor, ohne Journalisten-Visum im Iran gearbeitet zu haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • R
    rolle

    So schwer es für den Westen nun auch immer sein mag, ganz klar ist doch, dass sich im 21. Jhd. kaum der Menschenrechtsdiskurs des Westens als unhintergehbarer Leitdiskurs der internationalen Politik gelten kann. In zahlreichen Regionen dieser Erde kommen kulturelle Eigendynamiken zum Tragen, in vielen Teilen dieser Erde stellen sich alt-neue Identitätsformen ganz bewusst und selbstbewusst gegen die westlichen Politik- und Moraldiskurse. In diesen neu-alten Kulturidentitäten stoßen die Leitbilder westlicher Menschenrechtsdiskurse immer weniger auf kritiklose Anerkennung.

    Eine neue globale Sicherheits-, Friedens- und Gerechtigkeitspolitik erfordert in dieser Situation wohl primär endlich eine kritische Reflektion der westlichen Gesellschaften betreffend ihrer eigenen kulturellen Leitbilder und deren Verbreitung in anderen Kulturkreisen. Eine solche reflexive Aneignung der eigenen Ideengeschichte und deren Wirkung in globalen Maßstab wird sicherlich nicht zu dem Ergebnis kommen, dass dieser Menschenrechtsdiskurs des Westens dieser Welt mehr Frieden, mehr Sicherheit mehr Gerechtigkeit gebracht hat.

    Wenn der Westen aber weiterhin glaubt im Namen des globalen Friedens einen Menschenrechtsaktivisten aus China auszeichnen zu müssen, wird der westliche Begriff des Friedens in vollständiger Inkommensurabilität zu einem chinesischen Friedensbegriff stehen. Sicherlich wäre er ein guter Preisträger für einen europäischen Menschenrechtspreis gewesen - aber für einen globalen Friedenspreis???

    Letztlich müssen wir auf globaler Ebene endlich zu einer Politik der gegenseitigen (kritischen) Anerkennung kommen, wer sich vollständig außerhalb unserer kulturellen Werteordnung bewegt muss dann eben zum potentiellen Feind erklärt werden, kann aber kaum mit einen plausiblen Argument zum Feind der Menschheit gemacht werden... Der Universalismus westlicher Ideen scheitert eben doch am neu-alten Selbstbewusstsein bisher marginalisierter Kulturen.

     

    Aber ist ja auch egal: Solange im Westen die Linken in ihrem eigenen Selbstverständnis Kulturimperialismus als globale Emanzipation feiern und die Rechte dagegen im eigenen Erbe sowoas wie ein universellen Schlüssel einer erfolgreichen Modernisierung erkennt, stehen sie Seit an Seit und kämpfen gemeinsam gegen das subversive Fremde in der Welt...

  • A
    Anja

    Meine Güte, wenn ich die Meinung mancher Leute hier im Forum lese, könnte ich kotzen. Ich habe das Gefühl, für einige Forum-Schreiber ist das Bashing von Bild wichtiger als Pressefreiheit und Menschenrechte. Bitte: Dann richtet euch doch ein in eurer politisch korrekten Gut-Böse-Scheinwelt. In dieser dürfen Leute wegen ihrem Geschlecht umgebracht werden - hauptsache man darf weiter die die Bild hassen. Echt peinlich ist das!

  • EU
    ein ungeBILDeter

    Dass ein despotisches Mullah-Regime nach völlig anderen Regeln funktioniert ist hinreichend bekannt.

    Und dies nicht erst seit zwei BanS Journalisten im Iran in Haft sitzen.

    Es bleiben zwei Fragen:

    Wie steht es mit der Pressefreiheit in unserem Land oder auch andersrum, mit der Unabhängigkeit der Politik von den "Medien Global Playern", wenn sich dieselbe, flankiert von Alltagspromis, vor den Springer-PR-Karren spannen lässt?

    Und was wollten die beiden Journalisten wirklich im Iran? Meine Vermutung: Sie sollten Ahmadineshad als Kolumnisten für die BILD gewinnen, denn rhetorisch passt der Mann perfekt und Inhalt ist bei dem Massenblättchen eh Nebensache!

  • WE
    wetter er

    klagen darf nur einer und das ist der westliche Menschenrechtsaktivist der im Club von Frau Furtwängler (Burda-Ehefrau) alle Beschäftigen von Babelsberg und Hollywood (europäische Filialtochter) zu Ideologiekämpfern macht.

  • V
    vic

    Da hat Bild ja mal wieder was angerichtet mit dem berühmten Fingerspitzengefühl bei Angehörigenrecherchen.

    Internationale Verwirrung und in Deutschland lassen sich prompt einige mehr oder weniger namhafte Leute vor den Karren spannen.

    Ich bezweifle, dass damit der Frau geholfen ist -

    im Gegensatz zu Auflage und Publicity.

  • L
    Lucia

    >>Iranerin „will“ Reporter verklagen>"Ich trete aus eigenem Willen vor die Kameras, um zu der Welt zu sprechen", Ihre kurze Pressekonferenz war von Justizvertretern im Gästehaus einer staatlichen Wohlfahrtsorganisation angesetzt worden>Den beiden Reportern wirft ...(die iranische Justiz) vor , ohne Journalisten-Visum im Iran gearbeitet zu haben.

  • DS
    Dr. Seltsam

    Der ganze Artikel wirkt ziemlich seltsam. Erst wird berichtet, dass die Frau die Reporter verklagen will. Von der Presseerklärung wird aber nichts aufgezeigt, sondern es wird versucht, die Frau als Ballaballa darzustellen. Auch eine zum Tode verurteilte kann Nationalistin sein und die Art und Weise, wie das Ausland ihre Verurteilung missbraucht, um dem Iran reinzuregieren, ablehnen. Warum also Aschtiani gegen die beiden Reporter vorgehen will, das bleibt nur verschwommen, wird eher benutzt, um zum hundersten male die netten Vertreter von Politik und Kultur zu Wort kommen zu lassen.

     

    Was dann herauskommt teilweise, kann man ja an Leuten wie Holger sehen, die dann gleich die "Handelsbeziehungen" auf Eis gelegt haben wollen. Mein lieber Holger: der deutsche Staat wird wohl kaum wegen einer zum Tode verurteilten (deren Schuld auch noch bewiesen scheint) sein Geschäft mit dem Iran aufkündigen. Und warum du nicht gleichzeitig auch verlangst, dass die Handelsbeziehungen zu China und zu den USA und einigen Anderen Staaten dann ebenfalls aufgekündigt werden sollten, verbleibt auch im Dunkeln. Saudi Arabien ist übrigens auch ein islamischer Staat, dennoch wird fleissig gehandelt.

     

    Menschenrechte werden vom Westen immer dann eingefordert, wenn sie dazu dienen, dem entsprechenden Staat hineinregieren zu können. Ansonsten kommt erst das Fressen, dann die Moral.

  • KG
    Karl Gustav

    Ich vermisse bei der Berichterstattung den Hinweis darauf, dass diese Reporter sich am Leid der Frau bereichern wollten. Nicht nur kann das Urteil jederzeit wieder in Todesstrafe umgewandelt werden, auch ist man mit einer gewissen Erwartungshaltung dort hinunter geflogen, die wohl nichts mit journalistischem Ethos zu tun hat.

  • E
    emil

    ich verstehe nicht warum der artikel diese ganzen leute aufzählt.

    wo bleibt die relevanz, wenn sportler sich zu politik äußern?

  • BU
    Barbara Uduwerella

    Die Todesstrafe gibt es auch in den USA. Reisten BILD- Journalisten dort auch ohne Visum ein, um den Todeskandidaten zu interviewen, der durch Tier-Narkosemittel hingerichtet werden sollte? Diese Todesstrafe in den USA ist genauso verwerflich, wie die im Iran. Ich bin grundsätzlich gegen jede Art der Todesstrafe, weil sie uns Menschen nicht zusteht.

    Sind die Reaktionen nur deshalb so schwach, weil es sich um unsere „Freunde“ handelt?

    Unsere Freiheit wird inzwischen, so behaupten Politiker, am Hindukusch verteidigt.

    Bild tituliert das Staatsoberhaupt vom Iran als „Irren“ und sorgt nicht einmal für ein ordnungsgemäßes Visum der Mitarbeiter. Soll jetzt ausgerechnet durch BILD die Pressefreiheit im Iran verteidigt werden?

  • H
    Holger

    Spätestens jetzt müssen jegliche Handelsbeziehunge mit der ISLAMISCHEN Republik Iran auf Eis gelegt werden!