: Im Container über den Potsdamer Platz fliegen
■ Die rote „Info-Box“ katapultiert die Besucher per Computer auf Zeitreise
Das erste neue Bauwerk am Potsdamer Platz ist kein Rogershaus oder ein Kollhoffturm, sondern eine Blechkiste. Nicht Bürodiener und Mananger, sondern Baufans von debis/Daimler-Benz oder Sony sollen dort ein- und ausgehen. Die rote Info-Box, von weitem einem fünfgeschossigen Verwaltungstrakt nicht unähnlich, wird schon im Oktober eröffnet werden, wie gestern verkündet wurde. Der Kasten auf Stelzen, den die Investoren vom Potsdamer Platz gemeinsam mit der Senatsbauverwaltung und der Bahn AG hochziehen, kann dann als Projektionsfläche der Bauvorhaben dienen. Zehn Millionen Mark kostet der transitäre Ausstellungskasten, für den der Bausenator einen Millionenhappen dazulegte. Ist debis so arm, Herr Bausenator?
In der Blechkiste, die wie ein aufgedockter Schiffscontainer am Potsdamer Platz liegt und die über einen Steg zu erreichen ist, sollen die Besucher dann per Modell und mit Historienbildern auf Zeitreise ins nächste Jahrtausend gehen. Doch damit nicht genug: Video- Animation, Computerspiele und Multimedia-Shows von der Potsdamer-Platz-Zukunft werden uns entführen. Man rast durch Häuserschluchten, steigt ab in die Tiefen des Regionalbahnhofs, hebt ab und schwingt sich hoch zum Rundflug über die Steinwüste. Nebenbei sieht man auch ein paar digitalisierte Autos um den Platz rasen. Ganz ungefährlich natürlich. Weil die geplante Wirklichkeit schon ins Kreuzfeuer der Kritik geraten ist, setzt man also auf Cyberspace, Simulation und Videokunst zur Einstimmung.
Mit dem abgehobenen Container, der die Besucher durch Glasecken, aber auch Fensterschlitze linsen läßt, reihen sich die Investoren ein in die provisorischen Architekturen, die man sonst um den Potsdamer Platz aufgebaut hat. Unterhaltungszelte, Rotunden – alles für den Augenblick gebaut. Irgendwie haben sich die Konzerne da ins eigene Fleisch geschnitten. Der Container ist viel zu groß. Und daß man mit Animationen über die Zukunft besser vorsichtig sein sollte, haben die Panoramen von Stern gezeigt. Dort nämlich war nichts von der „Lebendigkeit“ zu sehen. Der Potsdamer Platz sah aus wie der Ernst- Reuter-Kreisel. taz
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