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Im Club der maustoten Nichtdichter Von Susanne Fischer

Neulich entdeckte ich in einer Zeitung unter den Todesanzeigen (nein, ich habe sonst wirklich nichts zu tun) auf der eindrucksvollen Liste der hinterbliebenen Gruppen, Betriebe, Vorstände und Fraktionen – organisiertes Trauern ist am schönsten – den „Verein der VW-Führungskräfte e.V.“ Aus dieser Todesanzeige wollte ich gar nicht mehr wieder weggehen. Welchem Ziel mag der Zusammenschluß dienen? Geselligem Beisammensein mit Salzstangen, alkoholfreiem Bier und Rote- Autos-die-am-Fenster-vorbeikommen-Zählen? Ausrichtung eines Bollerwagenrennens? Hätte es sich um den „Verein der ehemaligen VW-Führungskräfte e.V.“ gehandelt, wäre alles klar gewesen. Die würden sich eine Kinderpost kaufen und Büro spielen. Aber echte Manager im echten Managerverein? Erst der gleich nebenan annoncierte Heimgang einer „Elfriede von Hinten“ ließ mich den Weg aus meiner unterhaltsamen virtuellen Wolfsburger Vorstandsetage finden. Natürlich soll man sich nicht über Namen lustig machen, aber manche Namen sind einfach lustig. Ob man sich über tote Namen lustig machen darf, kann meinethalben auf der Leserbriefseite entschieden werden.

Ein „Verein der Leute mit lustigen Namen“ fand sich aber nicht unter den trauernden Hinterbliebenen. Gäbe es einen solchen Verein, könnten die korporierten VW- Manager es sich zur vornehmsten Aufgabe machen, diesen Club zu unterstützen. Doppelmitgliedschaften (Piäch) wären ausnahmsweise erlaubt. Wäre ich ein VW- Manager, würde ich den „Verein der bemerkenswerten ehemaligen Live-Sätze“ gründen. So aber habe ich dafür keine Zeit, weil ich mir immerfort bemerkenswerte Sätze notieren muß, für die ich dann nie wieder Verwendung finde. Die einzigen Bedingungen für die Mitgliedschaft wäre, daß die Sätze nicht erfunden, sondern dem alten Lebensstiefel abgelauscht wurden, und daß sie überhaupt nicht zu gebrauchen sind.

Jüngst schnaufte zum Beispiel der beleibte, aber durchaus distinguierte Graf von Hinten ganz deutlich folgende Worte: „Bitte beachten Sie auch die wunderbaren Hühnerbilder von Gräfin Kuhlemannshausen.“ Es war unmöglich, die Aquarelle anzusehen, ohne Ausschlag zu bekommen, so daß man den Satz gar nicht gebrauchen konnte. Nachdem ich ihn notiert hatte, konnte ich ihn nicht mehr verwenden. Wer will schon so einen alten Satz haben? Nicht einmal ein Adelsroman wäre damit aufzupeppen. In der Bahn dagegen sagte neulich ein junges Mädchen, das mir gegenüber saß, zu ihrer Freundin: „Ich glaube nicht, daß man wegen Lymphknoten durchfallen kann.“ Den Rest der Fahrt München–Hamburg dachte ich darüber nach, ob ich das glaube, und fragte mich, ob man auch wegen Knien und Mittelohren nicht durchfallen kann, aber wegen Hühnerbildern doch auf jeden Fall. In meinem Kopf wurde deshalb eine Jahreshauptversammlung anberaumt, die ich erschöpft vorzeitig verlassen mußte, weil es galt, weitere güldene Worte niederzuschreiben: „Du sitzt mir da zu intellektuell, und das paßt mir nicht.“ Diesen Satz habe ich einem ganz nichtswürdigen Individuum geklaut und verschenke ihn hiermit an die bedürftige Leserschaft. Womit meiner Mitgliedschaft im „Club Robin Hood“ wohl nichts mehr im Wege stehen dürfte.

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