Illegale Abhöraktionen: US-Spionagebehörde verklagt
Die US-Regierung soll im großen Stil eigene Bürger abgehört haben. Die Bürgerrechtsorganisation EFF hat nun eine Sammelklage gegen Bush und die Abhörbehörde eingereicht.
Die amerikanische Netzbürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) hat eine große Sammelklage gegen die US-Regierung, den Geheimdienst NSA sowie Verantwortliche in der Leitungsebene von Behörden angestrengt, die für eine großangelegte Abhöraktion auf amerikanische Internet-Nutzer verantwortlich sein sollen. „Seit Jahren spioniert die NSA massiv in den örtlichen Netzen des Telekommunikationsanbieters AT&T, geht dort auf Fischzüge“, heißt es in einem Statement der EFF, „unsere Klage soll diesem Datenschleppnetz endlich ein Ende bereiten“.
So genannte „Wireless Wiretaps“, Abhöraktionen, die ohne richterliche Genehmigung durchgeführt werden, sind in den USA verboten, so lange sie sich auf Amerikaner beziehen. Dagegen verstoßen Geheimdienste laut EFF seit mehreren Jahren. So würden Millionen von Telefonaten und E-Mails mitgeschnitten. Dies widerspreche dem Recht auf Privatsphäre, das in der US-Verfassung verankert sei. Die EFF klagt im Auftrag mehrerer Kunden des Telekommunikationsanbieters.
Ein ehemaliger AT&T-Mitarbeiter hatte den Skandal 2006 ins Rollen gebracht. Mark Klein, Telekommunikationstechniker in Kalifornien und über 22 Jahre bei dem Unternehmen beschäftigt, war bei technischen Arbeiten Abhörequipment in großem Stil aufgefallen. So hatte die Spionagebehörde NSA offenbar Zugriff auf einen ganzen Raum in einer Weiterleitungsstation in San Francisco, von der aus der gesamte dortige Internet-Datenverkehr des Providers potenziell „abgezweigt“ werden konnte. Dazu gab es laut Klein einen so genannten Splitter, über den optische Kabel angezapft werden konnten.
Die Daten flossen dann an die NSA, die ihre eigenen Leitungen hatte, berichtete der Techniker. Auch soll es die Möglichkeit für die Schlapphüte gegeben haben, einen direkten Zugriff auf die Telefondatenbank von AT&T zu nutzen, um abzulesen, wer wann mit wem und wie lange gesprochen hat, meldete die Los Angeles Times bereits 2005. All das hält die EFF laut geltender Rechtslage für äußerst illegal.
AT&T gehört zu den größten Netzbetreibern der Vereinigten Staaten, über dessen Infrastruktur auch Datenverkehr von Dritten läuft. Die EFF klagt deshalb auch gegen den Konzern: In einer 2006 im Auftrag von Kunden eingereichten Sammelklage soll AT&T mindestens zu Schadenersatz bewegt werden. Es ist allerdings unklar, ob das Verfahren eine Chance auf Erfolg hat: Der US-Kongress winkte jüngst eine neue Gesetzgebung durch, die AT&T und anderen großen Telekommunikationskonzernen, die mit der US-Regierung bei den illegalen Abhöraktionen zusammenarbeiteten, Immunität geben könnte.
Die EFF wirft dem Unternehmen vor, ein willfähriger Helfer der US-Regierung bei den Abhöraktionen gewesen zu sein. AT&T hat sich zu den Vorwürfen bislang nicht geäußert.
„Neben der Klage gegen AT&T eröffnen wir deshalb nun eine zweite Front, um die illegalen Lauschaktionen der NSA auf Millionen ganz normale Amerikaner zu stoppen“, meint Kevin Bankston, Justiziar der EFF. Es sei insbesondere wichtig, die Hintermänner der Aktion zur Rechenschaft zu ziehen. Aus diesem Grund wurden auch Präsident Bush, Vizepräsident Cheney, dessen Büroleiter David Addington sowie der ehemalige Justizminister Alberto Gonzales in die Klage mit einbezogen. Sie hätten die illegale Lauschaktion offiziell genehmigt, so Bankston. „Es geht um die persönliche Verantwortung, die Bush Cheney und andere für diese Rasterüberwachung der Kommunikation der Amerikaner tragen“, so EFF-Direktorin Cindy Cohn.
Die EFF ist keineswegs eine Gemeinschaft von Wenigen: Sie ist die größte Netzbürgerrechtsorganisation der USA und legt sich regelmäßig mit der Medienindustrie, Telekommunikationsunternehmen und anderen Institutionen an, die ihrer Meinung nach die Freiheit im Netz beschränken oder Nutzern Unrecht tun. „Unsere Klage soll auch eine Warnung an jeden künftigen Bewohner des Weißen Hauses sein: Wenn er das Gesetz bricht und die Privatsphäre der Amerikaner verletzt, wird das für ihn Konsequenzen haben“, so Cohn.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles