Ikea verbannt Liefertaxis: Parkverbot für Transporteure
Vor der Filiale des Möbelhauses in Tempelhof droht ein Lieferantenkrieg. Ikea schmeißt die privaten Anbieter vom Grundstück. Offiziell wird das als Service verkauft.
Ein Vormittag in der Woche, vor Ikea in Tempelhof: Eine Kundin balanciert ein fast zwei Meter langes Regal auf einem viel zu kurzen Wagen über den Parkplatz. Sie schlingert auf das gelbe, gut sichtbare Møbeltaxi-Banner in der Mitte zu. Zwei Männer in ebenso gelben T-Shirts gehen ihr entgegen, sie nehmen der Frau die Fracht ab, die sie zu einem Kleinlaster bringen. "Ich habe mich gerade hier erkundigt, die Transporteure sind deutlich billiger als die bei Ikea drin", erzählt die Frau.
Sie könnte eine der Letzten gewesen sein, die hier ein Lieferschnäppchen machen. Das Möbelhaus nämlich hat angekündigt, zum 1. September alle Liefertaxis vom Parkplatz zu verbannen. Damit soll offenbar der Umsatz beim hauseigenen Transporteur angekurbelt werden. Auf den angrenzenden Parkplätzen droht deshalb nun ein Lieferantenchaos.
Offiziell soll der Service für Kunden verbessert werden. "Hierbei war es uns wichtig, mit unserem nationalen Partner Rhenus ein umfassendes seriöses Servicepaket zu unschlagbaren Ikea-Preisen unseren Kunden anzubieten", beantwortet ein Sprecher des Unternehmens eine taz-Anfrage. Auch die Preisstruktur werde überarbeitet, speziell für Kunden mit einer "Family"-Mitgliedskarte.
Bislang nämlich ist der hauseigene Partner deutlich teurer als die Konkurrenz auf dem Parkplatz: Verlangt "Møbeltaxi" 27,50 Euro für einen Transport im näheren Umkreis, sind es bei Rhenus fast 50 Prozent mehr. Zwar argumentiert Ikea, dafür würden die Waren auch bis zur Wohnungstür getragen und nicht einfach auf dem Bürgersteig abgestellt, aber für die meisten Kunden gab bisher wohl vor allem der Preis den Ausschlag - die privaten Anbieter munkeln, der Umsatz bei Rhenus müsse dringend angekurbelt werden.
Ikea argumentiert indes, Kunden sollten sicherer einkaufen können. Zwischen den rund 20 privaten Taxianbietern sei es vermehrt zu Handgreiflichkeiten auf dem Parkplatz gekommen, sagte der Sprecher. "Das möchten wir unseren Kunden künftig nicht mehr zumuten." In der Tat tummeln sich zahlreiche Anbieter auf dem Gelände. Manche sind gut sichtbar, andere verteilen Flugblätter, wieder andere lassen sich ausschließlich über das Internet bestellen.
Es sei zu Streitigkeiten gekommen, bekennt Asim Yavuz, einer der Anbieter. "Von Schlägereien bis zur Bedrohung war alles schon dabei." Yavuz hat seinen Transporter auf einem Parkplatz abgestellt, der vom Möbelhaus noch sichtbar ist, aber schon auf dem Gelände angrenzender Einzelhändler liegt. Er habe bisher eher mit den Mitbewerbern vom Møbeltaxi Probleme gehabt als mit Ikea. Entfernt ist der Kleinunternehmer, der zusätzlich einen Fahrer beschäftigt, mit den Konkurrenten verwandt. "Wenn die jetzt auch noch auf die angrenzenden Parkplätze müssen, dann geht es hier richtig los", fürchtet Yavuz. Dass die Preise weiter sinken, glaubt er dagegen nicht.
Die Auseinandersetzungen zwischen dem schwedischen Möbelhaus und den Lieferanten sind nicht neu: Schon vor acht Jahren zofften sich die angeblich so freundlichen Einrichter mit einem privaten Service. Der Streit landete vor dem Landgericht und endete mit einem Vergleich: Der private Transporteur durfte wieder aufs Gelände, aber beim Liefern keine Kunden mehr mitnehmen. Beim unlängst eröffneten Ikea-Haus in Lichtenberg wurde auswärtigen Transporteuren von vornherein die Nutzung des Geländes untersagt.
"Wir haben das geschluckt, weil wir ja einen Vertrag in Tempelhof hatten und die Situation dort nicht verschärfen wollten", sagt Møbeltaxi-Geschäftsführerin Cemile Yavuz Taskiran. Sie kann nicht nachvollziehen, warum die Filiale in Tempelhof die Nutzungsvereinbarung für die Parkplätze nicht verlängert hat. "Man hat uns keine Gründe genannt." Ihr bleibe nichts anderes übrig, als mit dem guten Dutzend Wagen auf die Parkplätze beim benachbarten Bauhaus auszuweichen. "Natürlich wird das ein Hauen und Stechen dort", sagt Taskiran. Ihr vor vier Jahren gegründetes Unternehmen ernährt sich hauptsächlich von den Ikea-Kunden in Tempelhof. Nun will sie erst einmal abwarten.
Auf den angrenzenden Parkplätzen dürfte das Ausweichen nur von kurzer Dauer sein: Bauhaus-Filialleiter Ulrich Lenz macht deutlich, dass er Lieferanten, die keinen Vertrag mit dem Baumarkt hätten, auf gar keinen Fall auf den von seinem Unternehmen angemieteten Parkplätzen dulden werde. "Die Problematik des Taxi-Wildwuchses ist uns bekannt", sagt Lenz. "Ikea arbeitet mit uns an einer Lösung." Was bleibt, ist eine überschaubare Zahl von Parkplätzen in Ikea- und Bauhaus-Nähe, die von keinem der beiden Unternehmen angemietet sind. Die dürften ab Donnerstag heiß begehrt sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich