Ideen von Konservativen gegen die Armut: Deutschlands Bodensatz
Laut eines konservativen Think Tanks ist Armut vor allem ein Problem von Migranten und Alleinerziehenden. Dessen Lösung: "vernünftige Beziehungen" und "die richtigen Ausländer".
Ross und Reiter zu benennen ist ein ehrenvolles Anliegen. Das klingt nach Aufklärung, nach Wachrütteln und ein wenig auch nach Tabubruch. Wenn Meinhard Miegel Ross und Reiter benennt, klingt das so: „Die Zunahme an Armen ist ein Migrationsproblem und ein Problem von Alleinerziehenden.“
Miegel ist Vorstand des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft Bonn (IWG), eines konservativen Think-Tanks, und er hat das Wachrütteln zu seinem Beruf gemacht. Am Donnerstag hat er in Berlin eine IWG-Studie zur Einkommensentwicklung in Deutschland vorgestellt, Titel: „Von Verlierern und Gewinnern.“
Die Studie enthält wenig bis gar nichts Neues. Dass Migranten in den unteren Einkommensschichten überproportional vertreten sind, ist bekannt. Dass Alleinerziehende häufig unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen leben ebenfalls. Aber Miegel wäre ein schlechter Wachrüttler, wenn er dem Zahlenmaterial nicht etwas grundsätzlich Neues entwinden könnte. „Einkommensunterschiede sind ganz entscheidend demographiebestimmt“, lautet seine Erkenntnis.
Miegels demographische Soziologie funktioniert so: Seit 1996 ist die Zahl Einkommenschwacher um knapp 4,1 Millionen gestiegen. Miegel interessiert allerdings weniger die Frage, warum die Armut wächst, wenn die Gesellschaft insgesamt immer reicher wird. Seine Frage lautet: „Wo kommen die her?“ Die Antwort der Studie: „Von 100 hinzugekommenen Migranten sind 83 bei den Einkommensschwachen.“ Und wenn man bedenkt, dass die Migranten sich um 3,5 Millionen „vermehrt“ hätten und die Deutschstämmigen sich um 2,8 Millionen vermindert, ja dann müsse man sich auch nicht wundern.
„Hört auf Euch zu wundern“, fordert Miegel dann. „In Deutschland passen viele Zuwanderer schlecht in die Gesamtbevölkerung, mit dem Ergebnis, dass sich viele davon am Bodensatz absetzen.“ Von den 4,1 Millionen Menschen, die sich seit 1996 zum „Bodensatz“ gesellten, waren laut Studie drei Millionen Migranten. „Es ist ziemlich leicht, hierher zu kommen und es ist ziemlich leicht, hier Transferleistungen zu bekommen“, erklärt Miegel die Zunahme. So professionell verpackt bekommt man das klassische rechte Vorurteil, dass Ausländer nach Deutschland kommen, um den Sozialstaat auszunutzen, selten serviert.
Bei den übrigen 1,1 Millionen neuen Armen funktioniert die ethnische Argumentation nicht, handelt es sich doch um Deutschstämmige. Aber immerhin: 800.000 von ihnen sind Alleinerziehende mit Kindern. Ein Kind alleine zu erziehen, sei aber ein sicherer Weg in die Armut. Menschen, die sich hingegen für eine stabile Paarbeziehung entscheiden, gehören laut Studie zu den Gewinnern der Einkommensentwicklung. Für Miegel ist daher klar: „Paare, die sich trennen, müssen wissen, dass sie mit einem hohen Risiko in Armut verfallen.“ In der Studie wird daher ein Mentalitätswandel gefordert: „Individuelle und gesellschaftliche Sicht- und Verhaltensweisen müssen wieder gemeinschaftsverträglicher werden.“
Nimmt man Miegels Ausführungen ernst, dann lautet der politische Umkehrschluss: Es könnte eigentlich alles viel besser sein. Es müssten nur die richtigen, die gut ausgebildeten und integrationswilligen Ausländer kommen, diejenigen, die „uns“ nutzen. Und wenn dann noch die Deutschen mit ihren Kindern in vernünftigen und stabilen Paarbeziehungen leben, dann dürfte sich das Problem der Armut von selbst erledigen.
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