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Ideen gehen

Ein Autor macht den Macker, keiner schaut hin: Feridun Zaimoglu kasperte im Kulturkaufhaus Dussmann herum

Auf der Friedrichstraße beinahe ein Unfall. Einer bremst zu spät, ganz knapp vor dem Wagen seines Vordermannes kommt das Auto zum Stehen. Der Vordermann, Typ Vertreter, steigt aus und schreit herum. Der Verkehr stockt minutenlang. Ist Deutschland am Ende? Feridun Zaimoglu sagt Ja. Die kleine Szene ereignete sich am Mittwoch gegenüber dem Kulturkaufhaus Dussmann, und in jenem hatte die Lesung von Zaimoglu bereits begonnen. Zaimoglu stellte sein neustes Buch „German Amok“ vor – ebenso wie seine Malerei.

Zaimoglu hat einst die „Kanak Sprak“ für die deutsche Literatur erschlossen, doch schon sein überkonstruierter Briefroman „Liebesmale, scharlachrot“ deutete an, dass Zaimoglu den Verführungen des Literaturbetriebes erlegen ist und daher jetzt den coolen Macker gibt. Am Mittwoch konnte man daher einem Enddreißiger zuschauen, der versuchte, wie ein Jungrüpel vorzutragen. Er gestikulierte wild, doch es gelang ihm dabei nie, die Augen vom Buch zu lösen.

In „German Amok“ beschreibt ein „erfolgloser Künstler und begehrter Lustsklave“, wie uns der Klappentext sagt, „die Hohlheit eines Milieus, das sich auf Oberflächenreize kapriziert hat“. Als sei dieses Thema nicht schon langweilig genug, hat sich Zaimoglu darauf verstiegen, etwas schreiben zu wollen, was sich als „wortmächtig“ verkaufen lässt. In seinem Text, in dem Figuren ernsthaft „Mongo-Maniac“ heißen, in dem der Ich-Erzähler sich als Kuppler und Schächter betätigt und von seiner „Todesliste“ schwadroniert, soll der Verfall des Landes beschrieben werden. In immer gleichen Stereotypen beschwört ihn Zaimoglu – und das klingt dann wie ein Drehbuch für die legendär dumme Serie „Die Straßen von Berlin“. Allerdings sind TV-Serien restlos optimistisch, Zaimoglu dagegen ist ein Negativist, und daher glaubt er wohl, Kunst zu machen.

In seiner Malerei und seiner Prosa bedient er sich offen beim Expressionismus. Nun ist es eine Binsenweisheit der Germanistik, dass es gute expressionistische Prosa kaum gegeben habe, Zaimoglu aber beschämt selbst die schlechtesten Expressionisten noch mit seiner schlichten Grammatik. Um seine Ideenlosigkeit zu übertünchen, flüchtet er sich in Unanständigkeiten. Er ist ein simpler Effektehascher geworden. Daher untersagt er es seinem Verlag wohl auch nicht, das Buch mit „Reise ans Ende der Nacht“ des Antisemiten und Faschisten Louis-Ferdinand Celine zu vergleichen.

Doch die Effekte des antimodernen Literatur-Eminem verpufften im Kulturkaufhaus. Man saß in einem modernen, schicken Lichthof und sah den Fahrstühlen zu, wie sie in ihren gläsernen Schächten auf und ab fuhren. Vorne kasperte ein alter Junge herum und konnte sein Publikum mit seinen Sex-&-Violence-Geschichten nicht schockieren. JÖRG SUNDERMEIER

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