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„Ich wollte erschossen werden“

■ Wegen Bankraub und Geiselnahme in der Autovermietung Hertz in der Budapester Straße steht seit gestern ein 32jähriger Krankenpfleger vor Gericht

„Ich wollte erschossen werden.“ Dieses Motiv führte der 32jährige Angeklagte Uwe R. gestern vor Gericht als Grund dafür an, warum er eine Bank überfallen und vier Menschen als Geiseln genommen hatte. Der gelernte Krankenpfleger war am 31. Oktober 1995 zunächst in eine Sparkassen-Filiale in der Rankestraße gestürmt und hatte dort mit vorgehaltener Schreckschußwaffe 23.000 Mark erbeutet. Danach war er zu Fuß über den Breitscheidplatz geflüchtet, hatte in einem Büro der Autovermietung Hertz vier Menschen als Geiseln genommen und ein Lösegeld von 2,5 Millionen Mark sowie einen Fluchtwagen gefordert. Einem Sondereinsatzkommando der Polizei war es schließlich gelungen, den Täter zu überwältigen.

Der dickliche Mann, der damals mehrere Stunden die gesamte Innenstadt lahmgelegt hatte, wirkte vor Gericht klein und unscheinbar. Was immer er aus seinem Leben erzählte – es war die Geschichte eines Losers. Vor 15 Jahren starb seine Freundin an einer Überdosis Heroin. Diesen Tod habe er bis heute nicht verarbeitet. „Sie war die einzige Person, die mich und meine Schwächen und Vorstrafen akzeptiert hat.“ Mit der Frau, die im achten Monat schwanger war, habe er auch sein Kind verloren. „Ich habe im Leben keinen Sinn mehr gesehen“, beschrieb er seine zahlreichen gescheiterten Selbsttötungsversuche. Auch in der U-Haft habe er versucht, sich zu erhängen. „Ich habe Pech gehabt, daß man mich gefunden hat.“

Bis zum Juni 1995 hatte der wegen Raubüberfällen vorbestrafte Uwe R. in Hamburg gelebt. Dort wohnte er zuletzt in einer Pension und verdingte sich in einer Spielothek als Aufseher. Weil sein Chef ihm zwei Monatsgehälter schuldete, habe er sich das Geld selbst aus der Kasse genommen und sei nach Berlin abgehauen. Zwei Tage später kaufte er sich die Schreckschußwaffe und überfiel die Sparkasse in der Rankestraße: „Das Geld war mir nicht wichtig. Es ging mir um eine Selbsttötung durch andere“, behauptete er. „Leider kam es anders.“

Gericht und Staatsanwalt nahmen dies mit großer Skepsis auf. Warum er dann nicht auf Nummer Sicher gegangenen sei und sich vor einen Zug geworfen habe, wollte eine der Richterinnen wissen. „Ich bin in jeder Hinsicht feige“, erwiderte der Angeklagte mit emotionsloser Stimme. Außerdem habe er Angst gehabt, „daß man mich wieder ins Leben zurückruft“. Erst im Knast sei es ihm „durch die hilfreichen Gespräche mit dem Seelsorger“ gelungen, sich etwas von dem Selbsttötungsgedanken zu lösen. Doch die Zweifel des Gerichts waren nicht so einfach auszuräumen. Warum er in der Autovermietung Hertz nicht allein an die Tür gekommen sei, wenn er erschossen werden wollte? Statt dessen habe er sich hinter einer der Geiseln verschanzt, als er mit der Polizei verhandelte, hielt ihm die Vorsitzende Richterin vor. Ein Polizeibeamter sagte dazu als Zeuge, Uwe R. habe die Geisel „so gehalten, daß man diese, selbst wenn man gut schießen konnte, gefährdet hätte“.

Allzu tief kann der Schreck bei den Geiseln allerdings nicht gesessen habe. Einen Tag später posierten die drei Frauen und der männliche Angestellte bereits fröhlich als „Hertz-Damen“ und „Hertz- Bube“ für Bild. Zwei Monate später rekelte sich „Sabine“, die „dem Tod ins Auge sah“, für BZ-Leser als „frechstes Dezember-Mädchen“. Für den Prozeß sind vier Verhandlungstage vorgesehen. Plutonia Plarre

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