: „Ich köpfe meine Feinde nicht“
Wer weiß schon, was ein Mandala ist: Ein Gespräch mit dem New Yorker Filmregisseur David O. Russell über seinen neuen Film „I Heart Huckabees“ und über Zufälle, Bienen, Fahrradfahren als politisches Statement und buddhistische Baummeditation
INTERVIEW DIETMAR KAMMERER
taz: Herr Russell, in Ihrem Film bringt eine dreifache Zufallsbegegnung das Leben Ihres Helden völlig aus der Bahn, am Ende gewinnt er aber auch an Einsicht. Sollten wir uns von Koinzidenzen leiten lassen?
David O. Russel: Ich finde Zufälle interessant, sie sind etwas, das ich nur schwer ignorieren kann. Ein Zufall kann sich schließlich als bedeutsam herausstellen. Man weiß nicht, was sie anrichten können, aber es lohnt sich, auf sie zu achten.
Sie meinen, egal ob in Zufällen nun wirklich Bedeutung steckt oder nicht, man kann sie benutzen, mit ihnen spielen?
Schenkt man ihnen Aufmerksamkeit, können sie gewisse Entscheidungen, die man trifft, beeinflussen. Man lernt aus ihnen, wenn man gründlich über sie nachdenkt. Die Koinzidenz im Film zum Beispiel ist mir selbst passiert. Ich fragte mich: Warum ist ein Kerl, der Autogramme sammelt, zugleich der Portier im Haus meiner Eltern? Was hat das miteinander zu tun? Ich dachte viel darüber nach und fand heraus, dass der Grund, warum Hollywood mich so fasziniert, mit meinen Eltern zu tun hat, die sich immer genau wie echte Hollywoodstars verhalten haben: Man konnte sich ihnen nie nähern, nie mit ihnen reden. Das war in etwa meine Analyse.
Passiert das Ihnen öfters? Fordern Sie den Zufall heraus?
Nicht nur ich. Dustin Hoffman ist auch so etwas widerfahren. Eine Frau wurde von einer Biene gestochen. Sie hatte eine Allergie und hätte sterben können, und jemand hat zufälligerweise an Dustins Tür geklingelt, um Hilfe zu rufen. Zufälligerweise leidet Dustins Frau an derselben Allergie, also war das Medikament im Haus, das der Frau das Leben gerettet hat. Das war nur der erste Zufall. Als Dustin dann mit der Frau gesprochen hat, stellte sich heraus, dass sie im selben Haus aufgewachsen war, in dem jetzt Dustins Tochter lebt und gerade eine Tochter bekommen hat. Das ist doch ein verrückter Zufall! Ich hab nur keine Ahnung, ob das was zu bedeuten hat.
Das ist wie auf Gemälden von Magritte, auf den der Film anspielt. Man weiß nie, ob es ihm ernst ist oder er sich lustig macht.
Das stimmt, so funktioniere ich auch: mal ernst, mal albern. Aber mein Film, der ist sehr, sehr ernst. Und sehr optimistisch.
Sie behandeln große Fragen mit Leichtigkeit, und die kleinen Dinge nehmen Sie ernst?
Wie bitte?
So habe ich Ihren Film verstanden. Die ganzen Fragen über das Universum, den Zusammenhang der Dinge oder das große Bettlaken führen am Ende doch zu nichts, außer dass man sich selbst klein und lächerlich vorkommt. Dann kann man über sich lachen, aber dieser Punkt ist eben nicht das Ende, sondern der Anfang für etwas Neues. Es ist ein philosophisches Lachen.
Oh ja, ich mag das. Klingt gut.
Ihr Film ist kein bisschen glamourös, trotz der vielen Stars, Jude Law, Dustin Hoffman, Isabelle Huppert, Mark Wahlberg usw. Hatten Sie keine Angst mit einer solchen Besetzung?
Es hilft, wenn man weiß, dass man eine Menge Spaß zusammen haben wird. Wenn man sich nur solche Leute aussucht, mit denen man sich auf Anhieb gut versteht. Wenn ich mich auf dem Set wie ein Trottel aufführe, trauen sich die Schauspieler auch herumzualbern. So haben wir uns hervorragend amüsiert.
Es ist lange her, dass ich so viele Szenen in einem amerikanischen Film gesehen habe, in denen Leute Fahrrad fahren.
Im Ernst?
Das dachte ich jedenfalls, während ich den Film sah.
Fahrradfahren ist ein politisches Statement. Mark Wahlbergs Figur fährt Fahrrad, weil es seine politische Überzeugung ist. Er weigert sich strikt, ein Auto zu benutzen und an der Benzinwirtschaft teilzunehmen.
Wer in den USA Fahrrad fährt, macht eine politische Aussage?
Für die Figuren, die Mark und Jason Schwartzman spielen, auf jeden Fall. Sie fragen nach den Gründen für den 11. September und sehen, dass all unsere Beziehungen zu den Diktatoren daran schuld sind. Deshalb mussten all diese Leute sterben? Das ergibt keinen Sinn, außer dem, dass wir in einem Irrenhaus leben.
Wie kamen Sie auf die Idee mit den Traumsequenzen, in denen Jason Schwartzman auf einem Baum sitzt und mit Jude Law kämpfen muss?
Das ist aus einer alten Meditation, entlehnt von Robert Thurman …
… Uma Thurmans Vater, der Professor für buddhistische Studien an der Columbia University ist?
Ja, er war mein Lehrer. Die Figur, die Dustin Hoffman spielt, basiert zum Teil auf ihm. Er ist ein großartiger Lehrer. Er trägt immer formelle Anzüge, während er die wildesten Spinnereien von sich gibt. Er lehrt diese Meditation: Die Leute, die einem helfen können, sitzen auf einem Baum. Es bedeutet, sich ein Mandala zu schaffen. Ich hab bloß nie verstanden, was ein Mandala sein soll. Wissen Sie das?
Keine Ahnung.
Jedenfalls eine Art Bewusstseinszustand, in dem man Übermenschliches vollbringen kann. Seine eigenen Grenzen überwinden, all solche Dinge. Ich wende das für den Film ins Komische, als einen richtigen Kampf, der in Jasons Kopf stattfindet.
Wenden Sie das selbst an?
Was?
Das mit dem Baum im Kopf.
Klar, ich mach das, das ist gut.
Und was fühlt sich besser an: auf diesem Ast neben seinen Freunden zu sitzen oder seine Feinde mit einer Machete zu enthaupten?
Genau. Ich meine: nein, auf keinen Fall, ich köpfe meine Feinde nicht, das ist genau das, wogegen man ankämpfen sollte.