Das Portrait: Ich, ich, ich, Otto
■ Otto Rehhagel
Otto Rehhagel (57) war 294 Tage Trainer von Bayern München Foto: Bongartz
Keiner war zur Stelle, als Otto Rehhagel in der Nacht zum Sonntag Deutschland verließ. Nicht einmal Töpperwien. Dabei war sein Ende nicht erst nach dem samstäglichen 0:1 gegen Rostock klar. Als Franz Beckenbauers Bild Anfang der Woche das Rehhagel-Bashing eingestellt und die „armer Otto“-Melodie geklimpert hatte, war alles abzusehen.
Otto Rehhagel wurde geboren am 9. August 1938 in Essen als Sohn eines Bergarbeiters. Er machte eine Anstreicherlehre, kickte in der Bundesliga und hatte als Trainer mit Werder Bremen beachtlichen Erfolg. Das lag nicht zuletzt daran, daß er sich mit Hilfe von Frau Beate eine eigene, nämlich „Ottos Welt“ eingerichtet hatte. In Ottos Welt war (heute muß man sagen: rätselhafterweise) Erfolg – und also galt Ottos Wort. Sonst nichts.
Weil keiner sich daran störte, daß Rehhagels Worte („kontrollierte Offensive“ u.ä.) inhaltslos waren, mußte Rehhhagel selbst irgendwann glauben, er wisse, wovon er spreche. Rehhagel begann, sich als Philosoph zu inszenieren. Er ließ sich mit Goethe-Büchern ablichten, sprach durch Megaphone zu „den Menschen“. Kurz: Rehhagel schnappte über.
In Wahrheit konnte er vermutlich nicht einmal das Spiel, das er angeblich lehrte, zeitgemäß analysieren. Daß Rehhagel auch vom Fußball keine Ahnung habe, galt in München früh als gesicherte Erkenntnis. Rehhagels Training, berichtete BamS habe sich so abgespielt: Aufwärmen, Spielchen acht gegen acht, „ein bißchen Pfeifen an der Linie“. Das hätte bereits reichen können angesichts der Qualität seiner Spieler. Doch Rehhagel, der angebliche Kommunikator, war auch unfähig zur Kommunikation mit dem Team. „Der Star ist die Mannschaft“, sagte er, doch die Sätze, die er ernst meinte, begannen mit: „Ich, Otto Rehhagel“.
Weil er zudem nicht mit den Medien spielen wollte, spielten die mit ihm. Was er nicht einsehen mochte: Fußball ist Nebensache. Die nationale Sache Bayern München bestreitet mittlerweile zu einem Großteil der Deutschen Bedürfnis nach Unterhaltung. Dafür braucht man aufgeschlossene Leute. Wie Beckenbauer, Hoeneß, Matthäus, Scholl.
Daß die Bayern-Gang den Mann, der sie lange Jahre nervte wie kein anderer, nur herbestellt hatte, um ihn zu vernichten, ist eine These, die tiefenpsychologisch erforscht werden müßte. Jedenfalls ist es vollbracht. Mitleid ist nicht angebracht. Der Mann hat seine Show gehabt. pu
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen