piwik no script img

„Ich bleibe Ihnen erhalten“

Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) dementiert heftig angebliche Amtsmüdigkeit. Unter Parlamentariern bleiben aber Zweifel. „Wenn der ein Angebot kriegt, ist er weg“, sagt die grüne Abgeordnete Claudia Hämmerling

Wer Peter Strieder in den vergangenen Wochen gelegentlich sah, könnte den Gerüchten trotz aller Dementis glauben. Mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf schlurfte der Stadtentwicklungssenator und SPD-Landeschef mehrfach über den Teppich des Abgeordnetenhauses. Vielleicht hatte er schlecht geschlafen, vielleicht aber war es auch symptomatisch. Er, der sonst meist ein breites Grinsen auflegt, soll keinen Spaß mehr an seiner Arbeit haben, werden Gerüchte aus der Senatsverwaltung kolportiert.

In die Privatwirtschaft soll es den Fünfzigjährigen angeblich ziehen, wo Vorstandsjobs durchaus doppelt so viel Geld bringen wie das monatliche Senatorengehalt von rund 10.300 Euro. Für die von eigenen Personalquerelen zerissene CDU-Fraktion war das willkommenerAnlass, ihn offiziell nach etwaiger Amtsmüdigkeit zu fragen. Strieders Antwort gestern im Abgeordnetenhaus: „Da ist nichts dran – ich bleibe Ihnen auch in den nächsten Jahren erhalten.“ Schön schief formulierte er: „Ich gehöre nicht zu denen, die, wenn die Mühen der Ebene kommen, die Kommandobrücke verlassen.“

Parlamentariern aber scheinen Abwanderungsgedanken nicht ganz abwegig. Michael Cramer, als grüner Verkehrspolitiker regelmäßig Sparringspartner von Strieder, könnte sich Ermüdungserscheinungen durchaus erklären. „Der kriegt ja permanent eins auf die Mütze. Er hält den Laden zusammen und andere glänzen.“ Die Grünen wollen schon vor der Bundestagswahl von den Gerüchten um Strieder gehört haben. „Mein Gefühl sagt mir, dass der mit was anderem liebäugelt. Wenn der ein Angebot kriegt, ist er weg“, sagt die grüne Stadtentwicklungspolitikerin Claudia Hämmerling. Strieder habe wie vielleicht nur der Finanzsenator Einblick in die Misere der Stadt. „Das will der sich nicht länger antun“, so Hämmerling. Beim Koalitionspartner PDS gibt man sich bedeckt, will offiziell von nachlassendem Elan Strieders nichts wissen.

Tatsächlich häuften sich in den vergangenen zwölf Monaten die Nackenschläge für Strieder, der zuvor in einer glänzenden Karriere vom Arbeitsrichter zum Kreuzberger Bezirksbürgermeister avancierte, 1996 Senator und dann auch SPD-Landeschef wurde. Strieder ließ die große Koalition platzen und zimmerte das rot-rote Bündnis. Regierender Bürgermeister wurde aber nicht er, sondern Klaus Wowereit. Und als Senator verweigerte ihm die rot-rote Koalition zumindest im ersten Wahlgang die Mehrheit.

Fachlich musste sich Strieder zuletzt beim Brandenburger Tor fügen: Er wollte das Tor für Busse und Taxis offen halten, Wowereit plädierte erfolgreich für eine komplette Schließung. Zudem leidet gerade sein Senatsressort unter der Finanzmisere – Strieder ist auf Jahre hinaus Straßeninstandsetzer statt Baumeister.

Auf SPD-Bundesebene mochten seine Genossen Strieder, den Chef der Hauptstadt-Sozis, nicht im Parteivorstand sehen und ließen ihn beim Bundesparteitag vor einem Jahr mit dem schlechtesten Ergebnis aller Bewerber durchfallen. Kritik gab es auch an seinem Thesenpapier zur Zukunft der Berliner SPD als zentralisierter Partei mit einer Landesliste bei Wahlen.

SPD-Parteisprecher Hannes Hönemann wies gestern angebliche innerparteiliche Spekulationen zurück. Mögliche äußerliche Müdigkeit begründete er mit dem hohen Arbeitspensum als Senator und Parteivorsitzender. Ein Rücktritt des im Sommer bis 2004 wiedergewählten Landeschefs sei überhaupt kein Thema.

STEFAN ALBERTI

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen