piwik no script img

„Ich bin sehr pessimistisch“

John Aitchison leitet Projekt zur Gewalt zwischen rivalisierenden Schwarzengruppen  ■ I N T E R V I E W

In der südafrikanischen Provinz Natal hielten auch am Freitag die blutigen Kämpfe zwischen Anhängern der Verinigten Demokratischen Front (UDF) und der konservativen Bewegung Inkatha an. Bis zum Samstag seien laut Polizeiangaben mindestens 41 Menschen getötet und Hunderte verletzt worden. Der südafrikanische Präsident Frederik de Klerk kündigte Maßnahmen seiner Regierung für den Fall an, daß die Gewalttaten nicht aufhören, und appellierte an die Führer aller politischen Gruppen, ihre Anstrengungen zu vereinen. Wegen der andauernden Gewalt sagte Nelson Mandela das für heute geplante Treffen mit Inkatha-Führer Buthelezi ab. Er sagte, die Zeit sei für ein solches Treffen nicht geeignet. Ungeachtet der Verschiebung will Mandela die Provinz Natal besuchen. Der Erzbischof und Friedensnobelpreisträger Tutu sagte angesichts der Unruhen einen Besuch in den USA ab.

taz: Wie ist es zu den Kämpfen in Natal gekommen, was ist der Hintergrund der Auseinanderzetzungen?

John Aitchison: Das ist eine ziemlich lange Geschichte. Im September 1987 gab es den ersten großen Konflikt in Natal. Aber die Konflikte geht wahrscheinlich bis auf die Zeit zurück, als die Vereinigte Demokratische Front UDF gegründet wurde (1983). Danach befürchtete Inkatha, daß die UDF der Zuluorganisation Unterstützer abnehmen könnte. Es gab auch Konflikte in der Gegend um Durban. Dort versuchten sich die Homelands Kwa Zulu einzelne schwarze Wohngebiete einzuverleiben. Die Bewohner dieser Gebiete weigerten sich aber, Teil von Kwa Zulu zu werden. Spannungen gab es auch zwischen der Gewerkschaftsföderation Cosatu und der Inkatha -Gewerkschaft Uwusa.

Im September 1987 wurde alles schlimmer, weil Inkatha versuchte, zusätzliche Mitglieder anzuwerben, um ihre Unterstützung in der Region zu festigen. Das hat viele Opfer gekostet. Seitdem ist die Gewalt ständig eskaliert, trotz verschiedener Friedensgespräche. Und jetzt ist wieder solch ein Höhepunkt erreicht.

Ist der Kampf zwischen den Fraktionen denn immer noch politisch motiviert?

Im Prinzip ja. Natürlich spielen andere Faktoren eine Rolle - Armut, soziale Entwurzelung, Kriminalität -, aber letztendlich ist es noch immer ein politischer Konflikt.

Es hat oft Vorwürfe gegeben, daß die Polizei sich auf seiten von Inkatha an den Konflikten beteiligt hat.

Ich halte dies für zutreffend. Es gibt überwältigende Indizien, daß die Polizei Inkatha unterstützt hat, nicht unbedingt direkt, sondern indem sie einfach nicht eingreift. Sie hätten die Gewalt ganz am Anfang stoppen können, haben aber nichts gegen die Inkatha-Anhänger getan. Wie in den letzten drei Tagen. Sie schlagen ihnen vor, nach Hause zu gehen. Aber sie entwaffnen sie nicht, verhaften sie nicht und schießen nicht auf sie. Zum Vergleich: Heute früh gab es einen vollkommen friedlichen Marsch von Frauen zur Polizeistation. Die wurden gewarnt, daß man auf sie schießen würde, wenn sie sich nicht auflösen würden. Einige Leute wurden verhaftet. Gegenüber den schwerbewaffneten Kriegsgruppen von Inkatha gehen sie nicht so vor.

Würden die Menschen es denn vorziehen, wenn Militär eingesetzt würde?

Zweifellos. An der Basis hätten die Leute es natürlich am liebsten, wenn Polizei und Militär verschwinden würden. Aber das Militär gilt als weniger parteiisch. In den letzten Tagen wurde das Militär aber nicht von der Polizei zu Hilfe gerufen, und unabhängig kann das Militär nicht eingreifen. Es gab gestern eine Schlacht auf einem Hügel, die das Militär beobachtete, aber es hatte wohl keinen Einsatzbefehl.

Gibt es Aussichten auf eine Konfliktlösung?

Kaum. Wir schätzen, daß etwa 12.000 Inkatha-Leute hier unterwegs sind und sich an Angriffen beteiligen. Das ist eine riesige Zahl, da muß es logistische Unterstützung geben. Das heißt, in der Inkatha-Hierarchie muß es eine entsprechende Entscheidung gegeben haben. Das ist natürlich ein schwerer Rückschlag.

Interview: Hans Brandt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen