: „Ich bin kein Zirkusgaul“
Arno Ehret, derzeitiger Schweizer und künftiger deutscher Nationaltrainer, über die WM, deutschen Handball, seine Pläne und sich selbst ■ Mit ihm sprach Peter Unfried
Arno Ehret, 39, trainiert bei der seit gestern in Schweden laufenden Handball-WM das Schweizer Nationalteam. Mit ihm schafften die Eidgenossen 1989 den Wiederaufstieg in die A-Gruppe, u.a. mit einem 18:17-Sieg gegen die BRD. In der Schweiz wurde er dafür zum „Trainer des Jahres“ gewählt. Der Südbadener Realschullehrer übernimmt ab Juni die Auswahl des DHB und gilt als Hoffnungsträger für eine bessere Zukunft. Ehret stand 1978 in Vlado Stenzels WM- Team, bestritt 121 Länderspiele, schoß 308 Tore und galt zeitweise als „bester Linksaußen der Welt“.
taz: Warum wechseln Sie nach der WM aus der ruhigen Schweiz zum nervenaufreibenden Job beim Deutschen Handball-Bund?
Arno Ehret: Wenn man über einen gewissen Zeitraum als Trainer in einem Verband, einer Mannschaft tätig war, braucht man eine neue Herausforderung. Ich war dann sieben Jahre in der Schweiz, kenne das Umfeld in- und auswendig. Die Aufgabe beim DHB ist etwas Neues.
Der Züricher SPORT hat über Sie und Ihre finalen Bemühungen mit dem Schweizer Team geschrieben: „Akribisch werkelt Arno Ehret an seinem Denkmal.“
Hehehehehe. Das ist der SPORT!. Was heißt Denkmal? Wenn ich aufhöre, will ich ein gutes Gefühl und auch etwas erreicht haben. Das heißt etwas mehr als bisher.
Wie wichtig ist das für den Gesamtmenschen Arno Ehret? Anders gefragt: Gibt es ein Leben außerhalb des Handballs?
Ich bin froh, daß der Job gleichzeitig mein Hobby ist. Es ist aber nicht mein Leben. Es ist ein wichtiger Bereich meines Lebens und in vielen Zeiten sehr einschneidend. Es ist auf eine Art die Fortsetzung dessen, was man als Spieler hatte. Ich glaube aber, daß ich auch ohne größere Schwierigkeiten ohne Handball leben könnte.
Liegen Sie also nicht nachts wach und grübeln, wo Sie einen Linkshänder für den Rückraum herkriegen?
Davor kann man sich nicht schützen. Das ist aber wohl bei jedem Beruf so. Ich glaube aber nicht, daß da ein Abhängigkeitsverhältnis besteht zwischen meinem persönlichen Glück und dem sportlichen Erfolg.
Die Schwierigkeit scheint ja zu sein, jene überlebensgroßen Gefühle, die der Sport hervorzubringen mag, mit denen des normalsterblichen Lebens in Einklang zu bringen und auf eine gesunde Basis zu stellen?
Das ist das Problem bei diesem Job. Er ist ja so spannend, so abwechslungsreich, so stressig. Das Kritische daran ist, daß man dabei von anderen abhängig ist. Dieses Ungewisse, das Nichteingreifenkönnen. Noch ein Tor kriegen oder eins werfen, was ja auch darüber entscheidet, ob du ein toller Trainer bist oder nicht. Das sind Abenteuermomente, die außergewöhnlich sind. Momentan liebe ich noch dieses Gefühl.
Ziemlich viele Leute, die mit Ihnen zu tun haben, sind, formulieren wir es milde, schwer beeindruckt. Wie stecken Sie das weg?
Ob das viele sind, weiß ich nicht. Es ist angenehm. Eine Form von Anerkennung. Es erleichtert, akzeptiert zu werden. Das ist eine bessere Ausgangsbasis. Ich versuche einfach, die Sache in den Vordergrund zu stellen, korrekt zu analysieren, den Informationsstand zu haben, der korrektes Beurteilen möglich macht.
Lag der kontinuierliche Abwärtstrend des deutschen Handballs in den Achtzigern an mangelnder Klasse seiner Protagonisten, oder wurden auch strukturelle Fehler gemacht, die Sie als künftiger Koordinator für den Leistungsbereich beheben sollen?
Wir klagen mehrheitlich, daß wir eine große Breite haben, aber Weltklasseathleten in der nötigen Zahl nicht hervorgebracht haben. In Zukunft wird man versuchen, mehr Wert auf bessere Arbeit im Jugend- und Juniorenbereich zu legen. Man muß in Trainerausbildung in diesem Bereich investieren. Und ein Netz aufbauen, um so längerfristig das zu bekommen, was wir wollen: Weltklasseathleten mit Kreativität, Beweglichkeit und allem, was sonst nötig ist.
Der Handball scheint allerdings nicht nur neue Athleten, sondern mehr und dringender denn je ein Marketingkonzept zu brauchen, um gegen Sportarten wie Eishockey oder Basketball auch im Jahr 2000 bestehen zu können. Haben Sie eines?
Es gehört zu meinem Job, die Sportart zu repräsentieren. In dieser Position ist man auch für das Image dieses Sports verantwortlich. In erster Linie allerdings für den Erfolg. Auch bin ich kein Zirkusgaul, ich habe im Sinne der Sportart repräsentative Pflichten, die ich mit einer großen Seriosität auch wahrnehmen werde.
Was passiert, wenn Ehret und die Schweiz den 8. Platz (und die damit verbundene Qualifikation für die WM '95 in Island) schaffen, Bundestrainer Emrich und Deutschland aber nicht?
Gut, die Wahrscheinlichkeit ist eher umgekehrt. Falls doch, hätten wir dann die Möglichkeit Island über die EM-Qualifikation zu erreichen. Es wäre aber schade für die Entwicklung der deutschen Mannschaft.
Müßte man dann schon wieder umdisponieren?
Nein. Es gibt nur soundso viele Handballer mit den und den Qualitäten, und wenn Sie 20 Bundesligatrainer fragen würden, dann würden die genau den 20er-Kreis benennen, aus dem die Mannschaft für Schweden zusammengestellt wurde.
Wer wird Weltmeister?
Schweden, Rußland, Frankreich und Spanien machen die Medaillen untereinander aus.
Wann wird Ihre zukünftige Mannschaft Weltmeister?
Oje! Äh, das ist ... nicht zu beantworten.
Ist das ein Ziel?
Das muß ein Ziel sein. Das funktioniert aber nur über das Glück, ein, zwei Topspieler zu haben. Man kommt mit einer Mannschaftsleistung weit, aber zum Titel braucht man ein, zwei Spieler, die jene Extraklasse haben, die damals (1978, d. Autor) Jo Deckarm hatte.
Haben Sie schon eine Ahnung, wer das zukünftig sein könnte?
Da hab' ich bis jetzt noch keinen gesehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen