berliner szenen: Ich bin kein Held
Dieter will nicht mehr. Dieter hat die Schnauze voll. Dieter schläft auf der Straße, das heißt, eigentlich unter einer Brücke nicht weit vom Treptower Park.
„Da pennen auch andere“, sagt Dieter, „mit Zelten und so.“ Dieter würde gerne mal wieder in einem richtigen Bett schlafen, in einem Bett mit Dach über dem Kopf. Aber er hat nur eine Matratze. „Die Matratze riecht scheiße“, sagt er, „nach Pisse.“
Dieter schaut mich an, als wäre ich seine Rettung. Ich höre zu und verstehe ihn kaum.
Am Maybachufer hat er mich angesprochen. Ich bin auf dem Weg nach Hause und freue mich auf meine Familie, für die ich ein Abendessen geplant habe. Pasta mit Pilzen und dazu einen Salat mit gebratenen Bohnensprossen. Vielleicht werden wir ein Glas Pinot Grigio dazu trinken. Vielleicht auch nicht.
Dieters Blick macht mich fertig. Was soll ich sagen? Was kann ich tun? Ihm Geld in die Hand drücken und ihn in sein Unglück verabschieden oder ihn etwa einladen? „Komm doch mit“, sage ich, „und iss mit uns, wir haben genug.“
Aber ich sage es nicht laut, ich sage es nur für mich, in dem stillen Kämmerlein meines Hirnkastens, das mich umgehend zur Vorsicht mahnt. Vielleicht geht er nicht wieder, wenn wir ihn erst mal zu Hause haben. Vielleicht erfindet er Ausreden, warum er unbedingt bleiben muss.
Ich mal mir aus, wie Dieter bei uns wohnt, wie er mit uns lebt. Alles in Sekundenschnelle. Er würde in meinem Arbeitszimmer schlafen müssen. Dann würde ich nicht mehr arbeiten können. Das wäre eine Katastrophe. Ich kann die Katastrophe aber nicht riskieren.
Tut mir leid Dieter, ich bin kein Held, denke ich und drücke ihm wortlos ein paar Münzen in die Hand. Dieter lacht mich an. „Danke Kumpel“, sagt er und geht weiter.
Henning Brüns
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