: „Ich bin ein Teamspieler“
Andreas Bovenschulte über seine Rückkehr nach Bremen, die Krise der Sozialdemokratie und kostenlosen Nahverkehr
Interview Jan Zier
taz: Herr Bovenschulte, Sie sind der Hoffnungsträger der Bremer SPD. Fühlen Sie sich wohl in dieser Rolle?
Andreas Bovenschulte: Wir stehen vor einem schweren Wahlkampf, bei dem es darum geht, dass die SPD weiter die führende Kraft in Bremen bleibt. Die Partei ist da inhaltlich und personell gut aufgestellt. Aber es ist auch sinnvoll, sich weiter zu verstärken. Meine Rolle ist ganz klar die eines Teamspielers.
2015 hätten sie Jens Böhrnsen als Bürgermeister nachfolgen können. Sie haben sich aber für Weyhe entschieden. Was ist heute anders?
2019 werden es zwölf Jahre sein, die ich für die Gemeinde Weyhe arbeite. Der Job als Bürgermeister dort ist ein richtig guter und herausfordernder. Dafür habe ich mich damals entschieden, nicht gegen Bremen. Nun hat Carsten Sieling mich gefragt: Kannst du dir vorstellen, für die Bürgerschaft zu kandidieren? Ich habe gesagt, wenn das meiner Partei hilft, mache ich das gerne. Außerdem gibt mir das die Chance, Verantwortung in einem Landesparlament zu übernehmen.
Ist Ihnen die Bühne in Weyhe nicht auch auf Dauer zu klein?
Nein. Ich denke, ich habe da eine ganze Menge bewegen und bewirken können.
Bundesweit liegt die SPD in Umfragen gleichauf mit der AfD, in Bremen gleichauf oder sogar hinter der CDU. Das ist doch der Worst Case für die Sozialdemokratie, oder?
Ich bin mir sicher, dass wir am Ende die Nase vorne haben werden. Aber ein Selbstgänger ist das nicht. Das ist eine gemeinsame Aufgabe der ganzen Partei. Wenn wir die Unterstützung unserer 4.000 Mitglieder bekommen, mache ich mir keine Sorgen.
Es gibt viele in der Stadt, die sagen: Auch wenn das Angebot der CDU dürftig ist – 70 Jahre SPD sind genug. Was sagen Sie denen?
Wenn man sich anguckt, was für eine lebens- und liebenswerte Stadt Bremen ist, welche Weltoffenheit und Lebensqualität es hier gibt, dann ist das auch ein Ergebnis sozialdemokratischer Politik. Trotz all der Antworten, die auch uns auf bestimmte Fragen fehlen: Ich bin fest davon überzeugt, dass die SPD die einzige Partei ist, die unsere Stadtgesellschaften in Gänze in den Blick nimmt und den Anspruch hat, gesellschaftlichen Zusammenhalt über alle Stadtteile und sozialen Gruppen hinweg zu organisieren.
Die soziale Spaltung in der Stadt nimmt aber spürbar zu.
Andreas Bovenschulte,
52, Jurist und Ehemann von Staatsrätin Ulrike Hiller, ist seit 1984 in der SPD. 2010 wurde er für drei Jahre Landesvorsitzender, anschließend Bürgermeister der Gemeinde Weyhe.
Die ist überall in Deutschland gewachsen. Da sind Kräfte am Werk, denen man auf der Ebene der Stadt- und Landespolitik nur schwer begegnen kann. Aber es ist unser Ziel.
Ist Bremen als Stadtstaat zu klein und schwach, um die soziale Spaltung zu bekämpfen?
Das Problem haben ja alle Länder und Kommunen. Wir brauchen überall einen Politikwechsel für weniger Ungleichheit und mehr solidarischen Zusammenhalt. Wenn wir das nicht schaffen, verschlechtern wir auch unsere Chancen, eine progressive Politik für eine nicht-rassistische Gesellschaft oder für mehr Klimaschutz durchzusetzen.
Das ist der Punkt, noch mal zu sagen, dass Hartz IV ein Fehler war.
Die Agenda 2010 war aus meiner Sicht ein Fehler. Dazu habe ich immer gestanden. Aber schon der Mindestlohn war der Einstieg in den Bruch mit der Logik der Agenda 2010. Gleiches gilt etwa für die – noch unzureichende – Regulierung der Leiharbeit und der sachgrundlosen Befristung. Viele Leute nehmen uns noch nicht ab, dass wir uns von der Politik von damals verabschieden. Da müssen wir noch mutiger sein. Aber ich denke: Die SPD hat die Kurve gekriegt.
Wenn die SPD so gut ist: Wieso sind ihre Umfragewerte dann so schlecht?
Es liegt immer auch an eigenen Fehlern und hausgemachten Problemen. Aber die Sozialdemokratie ist doch europaweit in der Krise, egal in welcher Partei sie organisiert ist. Im Moment ist die Politik, die Freiheit und Gleichheit verbindet, überall in Europa unter Druck, durch einen entfesselten Marktradikalismus einerseits und eine nationalistisch-völkische Bewegung andererseits.
Hilft da der Versuch, die AfD-Anhänger zurückzugewinnen, in dem man ihre Positionen teilweise übernimmt?
Die AfD ist im Kern rassistisch, da müssen wir klare Kante zeigen. Aber diese Auseinandersetzung gewinnt man nicht durch markige Sprüche, sondern indem man um Mehrheiten für eine bessere Politik kämpft. Derzeit haben wir im Bundestag eine Mehrheit rechts der Mitte. Die SPD hat da an vielen Punkten Schlimmeres verhindert und Verbesserungen erreicht, für GeringverdienerInnen, bei der Rente oder in der Gesundheitspolitik.
Für welche konkreten Inhalte treten Sie an?
Die Linie der SPD wird im Programm der Partei festgelegt. Aus meiner Sicht ist die Entlastung der Familien und die Bekämpfung sozialer Spaltung bei Kindern und Jugendlichen absolut vordringlich. Da finde ich es realistisch und wegweisend, wenn die SPD jetzt sagt: Wir wollen Bus und Bahn für Kinder und Jugendliche kostenlos machen. Das ist pragmatisch und finanzierbar, da werden wir Zeichen setzen, wenn die finanziellen Spielräume wieder größer werden. Das muss man weiterdenken: Brauchen wir nicht auch kostenlosen Freibad-Eintritt für Kinder und Jugendliche? Müssen Museen für Kinder und Jugendliche was kosten? Ich glaube: Nein. Der Sozialstaat lässt sich gegen Angriffe nur verteidigen, wenn große Teile der Bevölkerung davon profitieren.
Als Landesvorsitzender waren Sie auch ein Bannerträger der Rekommunalisierung. Steht das auch noch auf ihrer Agenda?
Wir brauchen eine gute Mischung aus einem starken privaten und einem selbstbewussten öffentlichen Sektor. Eine solche Wirtschaft ist wesentlich robuster. Deshalb ist der Weg einer vernünftigen, schrittweisen und sachgerechten Rekommunalisierung der Richtige. Da ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht, wenn man an die Wasser- oder die Wohnungswirtschaft denkt. Wenn man sieht, wie sowohl die Mieten als auch die Gewinne der Vonovia steigen, dann wird schnell klar, dass wir in diesem Bereich einen starken Staat brauchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen