: „Ich bin Optimist“
SPD-MdB Alfred Emmerlich fordert Ablehnung der Geheimdienstgesetze im Bundesrat ■ I N T E R V I E W
taz: Sie haben grundsätzliche Kritik an den Geheimdienstgesetzentwürfen der Bundesregierung. Weshalb?
Alfred Emmerlich: Erstens: Der Auftrag der Nachrichtendienste wird trotz der grundsätzlich veränderten Situation in Ost-Europa und der DDR unverändert fortgeschrieben. Zweitens: Die Aufgaben der Dienste sind noch immer völlig unzureichend, unpräzise beschrieben. Drittens: „Nachrichtendienstliche Mittel“ einzusetzen, erlauben den Geheimdiensten auch die vorliegenden Entwürfe. Im Schutz dieses unbestimmten Begriffes werden sich Verfassungsschützer weiterhin aus der Bindung von Recht und Gesetz herauslösen können. Viertens: Der Datenverbund der Nachrichtendienste untereinander, mit der Polizei, mit ausländischen Behörden, sogar mit Privaten wird nahezu unverändert fortgeschrieben.
Dies alles ist mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung unvereinbar.
Die Regierungskoalition kann an der SPD nun nicht mehr vorbei. Der Grund: Die Gesetzentwürfe müssen abschließend im Bundesrat beraten werden. Wie werden sich die sozialdemokratischen Bundesländer dazu verhalten?
Das kann ich nicht voraussehen. Ich bemühe mich, darauf hinzuwirken, daß die Mehrheit des Bundesrates dann von ihrer Möglichkeit Gebrauch macht und den Entwürfen die notwendige Zustimmung verweigert. SPD und CDU würden sich dann im Vermittlungsausschuß des Bundesrates wiedertreffen. Das ist ferner auch deswegen unerläßlich, weil diese Gesetze keinesfalls länger Bestand haben können als die Bundesrepublik.
Könnten Sie sich einen Kompromiß auf der Grundlage der vorliegenden Gesetzentwürfe vorstellen, den SPD-Länder und CDU-Länder im Vermittlungsausschuß des Bundesrates finden könnten?
Nein! Es muß eine neue Gesetzesvorlage her. Wir haben im Innenausschuß des Bundestages Anträge eingebracht, aus denen sich ergibt, was wir für eine gute Vorlage halten.
Lehnen die sozialdemokratischen Bundesländer die Gesetzesentwürfe ebnso ab wie Sie?
Die sozialdemokratischen Länder sind hier in einer schwierigen Situation. Der Rahmen für die Tätigkeit des Verfassungsschutzes ist durch das Bundesverfassungsschutzgesetz gegeben. Die Länder müssen ihre Landesverfassungsschutzgesetze in diesen Bundesrahmen einfügen, müssen sich an dieser Vorgabe orientieren. Dadurch entsteht der Eindruck, es gäbe eine gemeinsame Linie von CDU/CSU- und SPD-Ländern.
Ich hoffe, daß es gelingt, eine Situation herbeizuführen, in der man sich politisch von dieser Vorgabe der Rahmengesetzgebung des Bundes löst. Danach könnte man fordern: Der politische Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes muß weg. Der hat nämlich mehr Schaden angerichtet als Nutzen gebracht.
Werden Ihnen die SPD-Länder da folgen?
Wir müssen noch miteinander diskutieren.
Sie haben die Länder also noch nicht überzeugt?
Noch nicht ganz - ich bin Optimist. Das Interview führte
Ferdos Forudasta
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