Icesave-Abkommen: Isländer erneut zur Kasse gebeten
Im dritten Anlauf hat Island ein Gesetz beschlossen, das die Schulden der Icesave-Bank verstaatlichen soll. Eine Volksabstimmung kann es kippen.
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STOCKHOLM taz | "Wir wehren uns dagegen, die Schulden einer Privatbank zu sozialisieren", erklärten die Abgeordneten der Oppositionspartei Hreyfingin ("Bewegung") im isländischen Parlament. Eine Mehrheit der übrigen Abgeordneten dürfte das anders gesehen haben, als sie am Mittwochnachmittag über das Gesetz abstimmten, mit dem der isländische Staat Schulden der zusammengekrachten Bank Icesave übernehmen soll. Denn neben den Fraktionen der rot-grünen Regierung hatten auch Teile der konservativen Selbstständigenpartei angekündigt, das Abkommen abzusegnen. Die Abstimmung ging mit 44 zu 16 für das Icesave-Abkommen aus.
Es geht um 3,8 Milliarden Euro. Diese Einlagen ihrer rund 300.000 KundInnen konnte die in Großbritannien und den Niederlanden aktive Icesave nicht zurückzahlen, als sie im Herbst 2008 wegen Zahlungsunfähigkeit verstaatlicht wurde. Die nationalen Einlagensicherungen der beiden Länder mussten damals einspringen. Seitdem versuchen London und Den Haag, das Geld vom isländischen Staat ersetzt zu bekommen.
Das jetzige Icesave-Gesetz ist bereits das dritte, das dem Parlament zur Abstimmung vorlag. Ein erstes hatte Großbritannien und den Niederlanden nicht genügt, ein zweites war von einer 93-Prozent-Mehrheit der IsländerInnen vor einem Jahr in einer Volksabstimmung gekippt worden. Seitdem haben London und Den Haag ihre Forderungen leicht gemildert: Der Zinssatz wurde von 5,5 auf 3,2 Prozent gesenkt, die Rückzahlungsverpflichtung soll erst 2016 beginnen und 30 Jahre laufen, höchstens 5 Prozent der jährlichen isländischen Steuereinnahmen sollen in diese Schuldentilgung fließen.
Brüssel hat unmissverständlich klargemacht, dass eine Rückzahlungseinigung Voraussetzung für einen EU-Beitritt Islands ist. Und EU-Währungskommissar Olli Rehn lobt die "gegenseitig akzeptable Lösung".
Trotzdem droht auch diesmal wieder ein Aus - spätestens in einer Volksabstimmung. Innerhalb von drei Tagen hat eine entsprechende Initiative bereits über 33.000 Unterschriften gesammelt. Islands Ministerpräsidentin Jóhanna Sigursardóttir hatte vor kurzem in einem anderen Zusammenhang erklärt, ein Plebiszit solle es geben, wenn 15 Prozent der Wahlberechtigten das forderten. Das wären etwa 35.000 Unterschriften.
Aber Islands SteuerzahlerInnen halten es für ungeklärt, ob sie überhaupt etwas schuldig sind: Eine Staatshaftung für Privatbankschulden über die gesetzliche Einlagensicherung hinaus ist juristisches Neuland.
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