piwik no script img

IWF verteilt G-20-Gelder"Beunruhigende Entscheidung"

Die Mittel des umstrittenen Fonds sollen vervielfacht werden, die Reform der IWF steht aber noch aus. Sie gilt als undemokratisch. Bis jetzt kann die USA noch jede Entscheidung blockieren.

Gegen die Vergabepraxis von IWF und Weltbank gibt es immer wieder Proteste in den Empfängerländern. Bild: dpa

Am Tag nach dem G-20-Gipfel in London beherrschte die Zahl die Schlagzeilen: 1,1 Billionen US-Dollar wollen die Regierungschefs der 20 größten Industrie- und Schwellenländer zusätzlich zur Krisenbekämpfung bereitstellen. Die schiere Größe überdeckte zunächst, dass die neuen Mittel fast komplett über den Internationalen Währungsfonds (IWF) verteilt werden sollen. Damit wird eine Institution deutlich aufgewertet, die zu den umstrittensten globalen Gremien gehört - auch wenn die Gipfelteilnehmer in ihrer Abschlusserklärung anmahnten, der Fonds müsse nun "reformiert und modernisiert" werden.

"Das ist der Beweis, dass der IWF wieder da ist", freute sich dessen Direktor Dominique Strauss-Kahn. Jean Ziegler, ehemaliger Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen, zeigte sich dagegen "beunruhigt". Der IWF sei die "undemokratischste Organisation, die es gibt". Hintergrund ist, dass sich die Stimmrechte der 185 IWF-Mitgliedsländer an ihrem jeweiligen Kapitalanteil orientieren, Beschlüsse aber nur mit einer Mehrheit von 85 Prozent getroffen werden können. Da die USA einen Anteil von 17 Prozent haben, können sie bislang jede missliebige Entscheidung verhindern.

Die Gipfelteilnehmer empfehlen nun, den Schwellenländern Brasilien, Russland, Indien und China mehr Gewicht zu geben, nicht aber den ärmeren Ländern. Detlev von Larcher vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac sagte: "Die Mächtigen geben zwar viel Geld an den IWF, aber nichts von ihrer Macht ab." Offenbar interessierten sie sich nur für einem "möglichst krisenfreien Fortbestand des gegenwärtigen ungerechten Weltwirtschaftssystems". Peter Wahl von der Entwicklungsorganisation Weed erkannte in der Abschlusserklärung hingegen "Anzeichen für einen Paradigmenwandel". Anders als frühere G-8- und G-20-Dokumente beginne sie nicht mehr mit einem Bekenntnis zum freien Markt und bei den Zielen des IWF sei nicht mehr nur von Wachstum und Strukturreformen die Rede, sondern auch von Jobs und sozialer Sicherheit.

Von den insgesamt 1,1 Billionen US-Dollar müssen nur 350 Milliarden sofort aufgebracht werden. 100 Milliarden gehen an die Weltbank und andere Entwicklungsbanken. 250 Milliarden US-Dollar bekommt der IWF, dessen Ressourcen für Kredite an Krisenländer sich damit verdoppeln. Mittelfristig sollen sie um weitere 250 Milliarden aufgestockt werden. Das Geld kommt von den Mitgliedsländern. Japan hat 100 Milliarden US-Dollar zugesagt, die Europäische Union will 105 Milliarden beisteuern, China 40 Milliarden. 6 Milliarden Dollar, die der IWF aus dem Verkauf von Goldreserven erlösen will, sollen direkt als Kredite an die ärmsten Länder fließen.

Die restlichen 500 Milliarden Dollar der Londoner 1,1 Billionen kommen zustande, indem die Garantien für den grenzüberschreitenden Handel um 250 Milliarden Dollar ausgeweitet und zusätzliche Sonderziehungsrechte in gleicher Höhe verteilt werden. Sonderziehungsrechte sind eine Art Kunstgeld des IWF: Die Mitgliedsländer bekommen ein Guthaben gegenüber dem Fonds, mit dem sie etwa Schulden tilgen können. Alle IWF-Mitglieder müssen das Zahlungsmittel akzeptieren.

Entwicklungspolitische Gruppen kritisierten, dass sämtliche Mittel für Kredite verplant sind. Südwind-Sprecherin Irene Knoke befürchtete "eine neue Verschuldungsspirale". Erlassjahr-Koordinator Jürgen Kaiser forderte ein "faires, transparentes Insolvenzverfahren für Staaten".

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • AD
    Axel Dörken

    Kredite haben nur dann auch einen Nutzen für den umschuldenden Kreditnehmer, wenn Zinseszins und Zins weitaus reduzierter sind, als der umzuschuldende Kredit an sich.

     

    Noch hilfreicher für alle Kreditnehmer:

    Mindestens: die Abschaffung des Zinseszins. Optimal: Abschaffung aller Zinsen

     

    Banken sollten, meines Erachtens entweder verstaatlicht oder von gemeinnützigen Stiftungen unterhalten werden.

  • W
    wanja

    I have a dream ...

     

    Ab dem Jahr 2012 unserer Zeitrechnung ein

     

    Mindestlohn von 6 US Dollar / Stunde - netto

     

    Überall, weltweit!

     

    Außerdem eine Obergrenze für Einkommen jeglicher Art von ca. 72.000 US Dollar/Person/Jahr. Was darüber läge, wird zu 100% versteuert.

     

    Steuersümpfe werden ausgetrocknet,

     

    Staaten und Unternehmen demokratisiert.

     

    Die UN- Menschenrechtscharta von 1948 wird ernst genommen, z.B. Folter ebenso abgeschafft wie Zwangsheirat, Gebärzwang, Straffreiheit von Gewalt in Familien und auch die Sklaverei.

     

    Das globale Müllproblem (inklusive Atommüll) wird durch nachhaltige Müllreduzierung in Angriff genommen und die Wirtschaftskrise durch einen echten Eco / Green New Deal bewältigt.

     

    I have a dream ... !

  • PB
    Pater Braun

    "kann die USA"? Sind die USA nicht immer noch ein Plural und nicht - noch einfacher als USA/kann - "Amerika"?