IWF-Kredit kommt Island teuer: Das nördliche Kuba
Reykjavík will ausländische Spareinlagen bei der verstaatlichten Landsbank zurückzahlen. Dafür aufkommen müssten die isländischen Steuerzahler. Die wehren sich jetzt.
Die IsländerInnen gehen wieder auf die Straße. Schon letzte Woche protestierten 3.000 Frauen und Männer vor dem Parlament in Reykjavík, und in den nächsten Tagen wollen sie wiederkommen. Noch geht es nicht darum, eine Regierung davonzujagen wie bei der letzten Protestwelle im Winter. Doch das könnte sich schnell ändern.
Die erst vor drei Monaten angetretene rot-grüne Koalition ist nach Meinung der Mehrheit der IsländerInnen dabei, die Zukunft der Insel zu verspielen. Denn am Samstag hat der Haushaltsausschuss des isländischen Parlaments grünes Licht für ein Gesetz gegeben, nach dem niederländische und britische Sparer auf die Rückzahlung von Geldanlagen in Island hoffen können. In dieser Woche sollen die Parlamentarier nun abstimmen.
"Wir wollen nicht für Verbrechen geradestehen müssen, mit denen wir nichts zu tun haben", brachte es der Schriftsteller Einar Már Gudmundsson auf den Punkt. Die "Verbrecher", das waren die Banker, die 320.000 AnlegerInnen in Großbritannien und den Niederlanden mit konkurrenzlos hohen Zinsen lockten, Geld auf Konten von Icesave, einer Tochter der isländischen Privatbank Landsbanki, anzulegen.
Als das globale Kartenhaus der Finanzspekulation zusammenfiel, ließ Reykjavik Landsbanki nicht einfach bankrott gehen, sondern verstaatlichte sie. Ein Fehler, wie viele jetzt meinen. Denn nun muss der isländische Staat für die Icesave-Spareinlagen haften - es geht um 4 Milliarden Euro oder 13.300 Euro pro Kopf der 300.000 IsländerInnen.
Im Grunde hat sich Reykjavik bereits zur Rückzahlung verpflichtet. Die konservativ-sozialdemokratische Vorgängerin der jetzigen Regierung unterzeichnete im Herbst 2008 ein entsprechendes Grundsatzabkommen. Dies hatten London und Den Haag zur Voraussetzung für einen Notkredit des Internationalen Währungsfonds über 1,6 Milliarden Euro gemacht. Angesichts der jetzigen Folgerechnung war das wohl der teuerste IWF-Kredit, den je ein Staat in Anspruch genommen hat.
Die Einzelheiten zur Schuldenregulierung, die die rot-grüne Regierung in den vergangenen Monaten mit Großbritannien und den Niederlanden aushandelt hat, wurden praktisch von London und Den Haag diktiert. Denn sie standen unter einer neuen Drohung - diesmal wollten Großbritannien und die Niederlanden den EU-Beitritt Islands blockieren, den Reykjavik Mitte Juli formell beantragt hat.
Der Regierung von Jóhanna Sigursardóttir blieb keine Wahl. Sie erklärte sich bereit, einen 4 Milliarden Euro-Kredit von diesen beiden Ländern aufzunehmen. Dafür zahlen diese ihre SparerInnen direkt aus. Das Geld wollen Großbritannien und die Niederlanden innerhalb von 15 Jahren zurück haben - plus 5,5 Prozent Zinsen. Ein satter Zinsgewinn auf dem Rücken der IsländerInnen, den die Staatskassen in London und Den Haag derzeit nirgends sonst erzielen könnten.
In dieser Form hatte der Deal aber keine Chance vom isländischen Parlament abgesegnet zu werden. Im Finanzausschuss präsentierten die Regierungsvertreter deshalb nun nach tagelangen Verhandlungen einen Zusatz zum Icesave-Abkommen: Die Höhe der Rückzahlungsraten soll bis 2015 an das Wirtschaftswachstum geknüpft werden. Das dürfte in den kommenden Jahren zu einer Entlastung führen, mindert die Gesamtbelastung aber nicht. Und: Voraussetzung ist, dass London und Den Haag diesem Vertragszusatz zustimmen. Bislang haben sie alle Änderungen abgelehnt.
Ministerpräsidentin Sigursardóttir warf den Regierungen Großbritannien und den Niederlanden Erpressung vor. Sie appellierte an sie, die isländische Wirtschaft nicht in den Ruin zu treiben: "Die Isländer sind nicht für die globale Bankenkrise verantwortlich."
Andere Politiker zogen Vergleiche mit Deutschland und dem Vertrag von Versailles. Und Wirtschaftsminister Gylfi Magnússon hatte kürzlich davor gewarnt, Island könne eine Art "nördliches Kuba" werden, wenn man wegen dieser Schulden zu keiner allseits akzeptablen Lösung komme.
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