ITALIENS LINKSDEMOKRATEN LEHNEN DIE NEW GLOBALS IN FLORENZ AB: Gespaltenes Verhältnis
Das Europäische Sozialforum (ESF) in Florenz markiert einen wichtigen Wendepunkt im Verhältnis zwischen Italiens Globalisierungskritikern, den New Globals, und den etablierten Mitte-links-Parteien. Denn die sind diesmal, anders als noch in Genua vor einem Jahr, mit dabei. Nicht bloß die Jugend der Linksdemokraten ist beim ESF präsent. Auch die Partei selbst hat den „Dialog“ entdeckt.
Ein Dialog mit Tücken allerdings. So richtig überzeugt ist bloß der linke Minderheitsflügel der Linksdemokraten; der teilt mit den New Globals die Ansicht, dass Opposition gegen Neoliberalismus, Kriegsgefahr und Rassismus auf der Tagesordnung steht, und ist komplett auf dem ESF vertreten. Nicht bloß bei Konferenzen und Seminaren, sondern auch bei der Irakdemo am Samstag. Die Parteimehrheit dagegen offeriert einen Dialog, in dem sie selbst die Rollen schon verteilt hat. Die jungen Leute von Florenz – die seien für „Protesta“ zuständig. Den gesetzten Herrschaften aus der Partei dagegen obliege die „Proposta“, der konstruktiv-politische „Vorschlag“. Auf Deutsch: Reden muss man mit den Gutmenschen – die Politik aber ist und bleibt Sache der „Profis“.
Kaum zu überhören ist in diesem Gesprächsangebot der tiefe Verdruss, der Italiens Linksdemokraten zurzeit jedes Mal befällt, wenn Opposition von unten kommt. Statt sich zu freuen, wenn Gewerkschafter mobil machen, Bürger sich gegen Berlusconis Justizpolitik organisieren oder die New Globals Ratschlag halten, mokieren die Linksdemokraten sich über zu viel Radikalismus und mangelnden Realismus. Ohne die Bewegungen können sie nicht – schließlich bewegen sich da zu hunderttausenden ihre eigenen Wähler. Mit ihnen aber wollen sie auch nicht. Also reichen sie altväterlich die Hand, reden von offenem Austausch – und beginnen den damit, dass sie die New Globals als rückwärts gewandte Bewegung abqualifizieren, denen mit ganz viel „pro Global“ zu antworten sei. Mag sein, dass die Partei so ihre Regierungsfähigkeit beweist; doch neue Beziehungen zu den New Globals sind so schon im Ansatz abgewürgt.
MICHAEL BRAUN
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