INTERVIEW: "Carsharing hat ein modernes Image"
Autoteilen hat Zukunft, gerade in Städten wie Berlin, sagt die Verkehrsforscherin Claudia Nobis. Kommende Generationen von Verkehrsteilnehmern werden dieses flexible Modell dem Besitz eines eigenen Autos vorziehen
taz: Frau Nobis, findet Carsharing in Berlin generell Interesse?
CLAUDIA NOBIS (38) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Verkehrsforschung Berlin des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt.
Claudia Nobis: Grundsätzlich steigt die Zahl der Carsharing-Nutzer kontinuierlich. Gerade in Städten wie Berlin mit gutem öffentlichem Nahverkehr ist Carsharing eine Alternative. Schon jetzt besitzen knapp 50 Prozent der Berliner kein eigenes Auto. Es wäre zu wünschen, dass mit einem verbesserten Alternativangebot der Anteil der autofreien Haushalte gehalten wird.
Welche Zielgruppe spricht Carsharing besonders an?
Alle, die ihr alltägliches Leben mit anderen Verkehrsmitteln als dem Auto gestalten, aber in bestimmten Situationen auf einen Pkw zurückgreifen möchten. Für den, der regelmäßig mit dem Auto zur Arbeit fährt, ist Carsharing sicher weniger geeignet, da bei regelmäßiger Nutzung relativ hohe Kosten anfallen.
Worin liegt denn der Unterschied zu einem Mietwagen?
Mit einem Carsharing-Unternehmen schließt man einen längerfristigen Vertrag ab und wird Mitglied. Auf dieser Basis hat man dann das Recht, relativ spontan auf die Wagen zurückzugreifen. Außerdem können Carsharing-Wagen auch stundenweise ausgeliehen werden.
Verändert sich das Fahrverhalten, wenn man vom Privatautobesitz auf Carsharing umsteigt?
Man spricht in diesem Zusammenhang von einer Lernkurve. Die jeweiligen Personen greifen immer weniger auf den Carsharing-Wagen zurück. Das ist eine Art Lerneffekt, da man sich im Laufe der Zeit immer besser mit den anderen Verkehrsmitteln zurechtfindet.
Kann man auf Carsharing-Autos überall in der Stadt zurückgreifen?
Im Prinzip ja. In dicht besiedelten Gebieten ist es für die Anbieter aber manchmal schwierig, ausreichend Stellplätze zu finden. Deshalb gibt es ein Pilotprojekt in Berlin, bei dem öffentliche Parkplätze - ähnlich wie Behindertenstellplätze - für Carsharing reserviert werden.
Stellt Carsharing für Sie ein Zukunftsmodell dar?
Auf jeden Fall. Carsharing ist schon heute nicht nur für private Nutzer, sondern auch für Firmen interessant. Kleine Firmen können so auf die Anschaffung eines Pkws verzichten. Für große Unternehmen besteht die Möglichkeit, auf eine eigene Wagenflotte komplett zu verzichten.
Aber für viele ist das Auto immer noch ein Statussymbol.
Ich glaube, dass jetzt Generationen nachkommen, für die das Auto als Statussymbol nicht mehr eine so große Rolle spielt. Grundsätzlich kann man mit Carsharing ein sehr modernes Bild vermitteln. Es gibt die Möglichkeit, je nach Wegezweck ein anderes Auto zu nutzen. Das entspricht einer sehr flexiblen Mobilität, die auch ein moder-nes und positives Image haben kann.
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