INTERVIEW: Sprache als Sicherheitsrisiko — in Nordirland
■ Irisch drohte schon im letzten Jahrhundert auszusterben/ Interview mit Caitlin Ui h Anluain von „Glor na n Gael“
Irisch gehört zu den keltischen Sprachen. Es ist eng verwandt mit dem schottischen Gälisch. Bis zum 16. Jahrhundert konnte sich die Sprache relativ ungehindert entwickeln, doch britische Besatzungspolitik, der Handel mit England und die Auswanderung in die USA — sorgten dafür, daß Irisch schon Mitte vergangenen Jahrhunderts vom Aussterben bedroht war.
Nach der Unabhängigkeit des irischen Freistaats 1922 nahm sich die neue Regierung der Förderung der Sprache an: Irisch wurde zur ersten Landessprache erklärt und von der ersten Klasse an als Pflichtfach unterrichtet. Wer zu Hause ausschließlich Irisch sprach, erhielt Steuervergünstigungen. Dennoch benutzen heute nicht einmal mehr 10.000 Menschen Irisch als Umgangssprache. Im britisch besetzten Nordirland blieb die Förderung des Irischen Privatinitiativen überlassen, die vor allem im katholischen West-Belfast auf fruchtbaren Boden stießen. Außerdem organisierten die republikanischen Gefangenen in den Knästen Sprachkurse und konnten sodann Gespräche führen, die von den meist protestantischen Wärtern nicht verstanden wurden. Eine der Gruppen, die Irisch auch dem protestantischen Bevölkerungsteil näherbringen will, ist „Glor na n Gael“.
taz: Seit wann gibt es Eure Gruppe in Belfast?
Caitlin Ui h Anluain: Das West-Belfaster Komitee von Glor na n Gael ist 1982 als Reaktion auf die wachsende Nachfrage nach irischsprachigen Kindergärten in Belfast gegründet worden. Damals gab es bereits eine irischsprachige Grundschule und vier Kindergärten. Wir haben dann die einzelnen Initiativen koordiniert, und seitdem sind vier weitere Kindergärten entstanden.
Was macht Ihr außerdem?
Zwar ist die Arbeit mit den Kindergärten einer der wichtigsten Aspekte unserer Arbeit, aber darüber hinaus versuchen wir, so vielen Leuten wie möglich Irisch zugänglich zu machen. So bieten wir auch Erwachsenenkurse an und versuchen, Bibliotheken und Zeitungen zu überreden, dem Irischen mehr Präsenz zu geben. 1985 haben wir eine Kampagne mit dem Ziel gestartet, die irische Sprache mehr in das Bewußtsein der Bevölkerung zu rücken. Viele Ladenbesitzer und Linientaxis auf der Falls Road in West-Belfast haben positiv reagiert und Schilder in Irisch angebracht. Selbst Straßen wurden umbenannt.
Wie versucht Ihr, den protestantischen Bevölkerungsteil zu erreichen, der ja kaum ins katholische West-Belfast kommt?
Wir bieten sechswöchige Grundkurse für Erwachsene an, die abwechselnd in verschiedenen Bezirken stattfinden, auch in protestantischen. Die beiden protestantischen Tageszeitungen unterstützen uns dabei, und wir arbeiten mit Stadtteilgruppen zusammen. Es bestehen sogar Pläne, einen gemischten irischsprachigen Kindergarten für Protestanten und Katholiken einzurichten.
Gibt es neben der Sprache bei Eurer Arbeit auch andere Aspekte?
Am Anfang bestand unsere Gruppe fast ausschließlich aus Männern, aber inzwischen gibt es in unserem Komitee auch eine Frauengruppe. Außerdem haben wir mittlerweile Umweltthemen aufgegriffen, publizieren Broschüren und geben Musikunterricht. 1986 und 1990 sind wir mit dem Preis für das landesweit erfolgreichste Komitee ausgezeichnet worden.
Im August vergangenen Jahres wurden Euch vom Nordirlandministerium die Gelder gestrichen. Mit welcher Begründung?
Es gab überhaupt keine Begründung. Das Ministerium wies lediglich auf eine Rede des damaligen Nordirlandministers Douglas Hurd im Jahr 1985 hin, der damals von Gruppen gesprochen hatte, die angeblich die Ziele paramilitärischer Organisationen unterstützen. Den meisten unabhängigen Gruppen in West-Belfast wurden daraufhin die Gelder gestrichen. Auf Nachfrage wurde uns beschieden, daß einzelne Fälle nicht diskutiert würden. Inzwischen haben wir Kopien der Akten erhalten, worin jedoch viele Stellen geschwärzt sind. Wir sind gegen den Entzug der Gelder vor Gericht gezogen. Das Urteil steht noch aus. Am selben Tag, an dem das Ministerium uns seine Entscheidung mitteilte, erhielten wir von der Polizei die Erlaubnis für eine Straßenkollekte. Diese Erlaubnis erhält man jedoch nur nach genauer Überprüfung. Die Polizei hält uns also offenbar nicht für eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit.
Könnt Ihr ohne öffentliche Gelder überleben?
Wir haben die Unterstützung von politischen Parteien wie der Labour Party, der irischen Regierung und Dutzenden Organisationen in Europa und den USA, so auch vom Bürgermeister Flynn aus Boston. Unsere 20 Angestellten haben zwar ihre Jobs durch den Entzug der Gelder verloren, arbeiten jetzt aber unbezahlt für „Glor na n Gael“ und weigern sich, anderweitige Angebote des Arbeitsamtes anzunehmen. Wir machen weiter. Interview: Ralf Sotscheck
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