piwik no script img

INTERVIEWSozialer Brennpunkt Hellersdorf?

■ Roland Kreins (SPD), Jugendstadtrat in Hellersdorf, zur Zukunft seines Bezirks

taz: Wieviel Geld haben Sie eigentlich jährlich für ihre Jugendarbeit zur Verfügung?

Roland Kreins: Der Haushalt für dieses Jahr ist noch nicht verabschiedet. Aber für die sieben Einrichtungen, die dem Bezirksamt unterstehen, werden wir 3,5 Millionen Mark bekommen. Davon gehen aber rund 2 Millionen für Baukosten drauf.

Es bleiben also 1,5 Millionen für alle laufenden Kosten einschließlich den Gehältern. Geht es Westberliner Bezirken denn finanziell besser?

Die Westkollegen haben mehr Geld.

Wieviel Leute arbeiten in Ihren Einrichtungen?

Wir haben sogar noch freie Stellen. Letztes Jahr mußten wir einige Leute wegen Unterschlagung entlassen und wollen die Stellen jetzt mit Sozialpädagogen besetzen. Die meisten Leute, die zur Zeit in den Jugendeinrichtungen arbeiten, sind nämlich keine Pädagogen.

Sind diese Mitarbeiter noch Relikte aus sozialistischen Zeiten, also Überbleibsel aus der alten FDJ?

Ja, sie sind meistens über den Bund der Freien Deutschen Jugend an die Jugendarbeit gekommen und nicht in der Lage, die heutigen Probleme zu bearbeiten.

Wie steht es mit Gewaltanwendung unter Jugendlichen in ihrem Bezirk?

Gewalt ist schon ein Problem. Wir haben noch nicht mehr Straftaten als in anderen Bezirken. Aber die Straftaten werden immer aggressiver und sind keine Lappalien mehr.

Was hat sich im Leben der Jugendlichen in Ihrem Bezirk seit der Wende verändert?

Vieles ist zusammengebrochen. Nicht nur das Bild von den Eltern und der Schule. Viel, viel mehr. Und es ist noch nichts Neues da. Es gibt keinen Ersatz. Aber viele Probleme haben schon vor der Wende angefangen?

Könnten Sie ein paar der brennendsten Probleme nennen?

Ausländerfeindlichkeit. Das ging schon in den Achtziger Jahren los.

Was befürchten Sie für ihren Bezirk?

Auch schon früher wohnten hier nicht nur Leute von der Polizei und der Staatssicherheit. Hierher wurden auch immer sozial schwächere Familien aus anderen Berliner Stadtbezirken abgeschoben. Und ich befürchte, daß bei uns bald viele landen werden, die ihre Miete woanders gar nicht mehr bezahlen können und daß wir zum sozialen Brennpunkt werden. Interview: Bascha Mika

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen