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INTERVIEW„Parlament und Regierung sollten nicht getrennt werden“

■ Die Kommunikationswissenschaftlerin Barbara Mettler-Maibom von der Universität Gesamthochschule Essen setzt auf das persönliche Gespräch

taz: Böse Zungen behaupten, die Bonner Abgeordneten würden nur deshalb soviel trinken, weil sie zuwenig miteinander kommunizieren.

Barbara Mettler-Maibom: Ich halte die Probleme der Kommunikation zwischen Parlamentariern untereinander für weniger gravierend als Probleme der Kommunikation zwischen Verwaltung und Parlament. In dem Moment, wo Exekutive und Legislative räumlich getrennt werden, wird die ohnehin benachteiligte Position des Parlaments gegenüber der übermächtigen Verwaltung noch weiter geschwächt. Informelle Kommunikationsbeziehungen zwischen Parlament und Verwaltung können sich dann nicht mehr ohne weiteres entwickeln.

Was heißt das auf Berlin bezogen?

Man muß erst einmal erklären, welche Aufgabe das Parlament und welche die Exekutive hat. Das Parlament hat die Aufgabe der Legislative und der Kontrolle der Exekutive. Das heißt, das Parlament muß Informationen darüber haben, was in der Verwaltung entwickelt wird und wie die Verwaltung aktiv wird. Diese vielfältigen Bezüge, die auch einen Kontrollcharakter haben, setzen ein hohes Maß an Informationen voraus. Solche Informationen können einmal auf einem sehr formellen Wege gegeben werden, also dann, wenn alles schon „abgekaspert“ ist, oder auf einem informellen Wege im Vorfeld wichtiger Entscheidungen. Aber das setzt die Kenntnis von Personen, Orten und Zusammenhängen sowie gewachsene informelle Kommunikationsstrukturen voraus.

Beides klappt in Bonn schon nicht.

Das ist richtig. Das Parlament hat ohnehin eine schwache Position gegenüber der Exekutive und Lobby. Wenn die beiden getrennt werden, wird die Übermacht der Exekutive im Verein mit der Lobby noch größer als bisher.

Aufgrund der Entfernungen ebbt die Kommunikation dann völlig ab?

Ich denke, daß ist keine Frage der Entfernungen, sondern eine des Ausmaßes und des Wie-miteinander-Redens. Man muß zwischen technisch unterstützter und informeller, also direkter zwischenmenschlicher Kommunikation unterscheiden. Beispielsweise ist ein Überprüfen, ob eine Verständigung stattgefunden hat, ob sich Irrtümer eingeschlichen haben, wesentlich schwerer möglich in dem Moment, wenn die Kommunikation technisch verläuft. Die Kenntnis, die ich aus einer informellen Kommunikation bekomme, ist viel umfassender und viel aufschlußreicher, als wenn sie über eine technische Kommunikation erfolgt.

Also nichts geht über das persönliche Gespräch?

Das Gespräch, wenn sich zwei Menschen über den Weg laufen, läßt sich durch keine technische Kommunikation ersetzen.

Gibt es Untersuchungen, was an Informationen verlorengeht, wenn man die technisch unterstützte Kommunikation wählt?

Da sind wir momentan in der Anfangsphase. Wir wissen noch relativ wenig. Aber wir wissen, daß die informelle Kommunikation wesentlich komplexer und informationsreicher ist. Das ist deshalb so gravierend, weil wir gegenwärtig in einer Phase stehen, in der überall die technisch unterstützte Kommunikation eingeführt wird und wir nicht merken, welche Informationsverluste wir dadurch haben.

Auf Parlament und Regierung bezogen heißt das?

Es ist ein Problem, wenn das Parlament als höchstes Organ des Staates noch weiter geschwächt wird und die Verwaltung noch ungenierter tun kann, was sie ohnehin tut. Das würde sie fernab in Bonn in großer räumlicher Nähe zu den Lobbyisten und zu den Verbänden leichter tun können. Es besteht also die Gefahr, daß der Einfluß des Parlaments noch weiter geschmälert wird. Deswegen sollten Parlament und Regierung räumlich nicht getrennt werden. Interview: Bärbel Petersen

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