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INTERVIEW„Es gab keine Alternative“

■ Dr. Jürgen Rüttgers, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, zum Zustand der CDU (Ost)

taz: Herr Dr. Rüttgers, mit Gerd Gies ist schon wieder ein Christdemokrat Ost gescheitert. Nachgerückt ist ein Christdemokrat West. Ist das nicht ein neuer Beleg dafür, in welch schlechter Verfassung sich die CDU in den neuen Ländern befindet, auch personell?

Jürgen Rüttgers: Nein. Es haben seit dem Fall der Mauer etliche Wahlen stattgefunden, nach denen Tausende von demokratischen Positionen zu besetzen gewesen sind. Die CDU Ost hat sie größtenteils selbst besetzt. Freilich war das für sie, wie für alle Parteien in der DDR, ein großes Problem. Noch heute gibt es zum Tei erhebliche Anpassungsschwierigkeiten.

Wären diese Schwierigkeiten nicht weniger erheblich, wenn ihre Partei vor gut eineinhalb Jahren auf Zweifler in den eigenen Reihen gehört hätte? Auf Norbert Blüm etwa oder Volker Rühe, die — wenn auch verhalten — mahnten, CDU West und CDU Ost dürften sich nicht so schnell und nicht so bedingungslos vereinigen, wie dies im vergangenen Herbst dann doch geschehen ist?

Um eine Demokratie aufzubauen, braucht man Parteien. Es war richtig, die Wiedervereinigung und die Wahlen sehr schnell durchzuführen. Deshalb war auch unsere damalige Entscheidung, eine Reform der CDU durchzuführen...

... sprich: die Blockpartei Ost-CDU und die West-CDU zu vereinigen...

... war unsere Entscheidung, eine Reform der CDU durchzuführen, genau richtig. Nur mit einer neuen CDU konnten wir zu diesen Wahlen antreten. Natürlich setzt das voraus, daß man sich bewußt macht, wie sehr vierzig Jahre Diktatur nachwirken. Ich warne alle im Westen davor, sich als Richter über die Menschen in den neuen Bundesländern aufzuspielen. Es kann nicht angehen, daß man eine ganze Partei, ganze Gruppen ausgrenzt, daß man pauschal verdächtigt und verurteilt. Es kommt immer auf das an, was der einzelne Mensch zu verantworten hat, welche Schuld er auf sich geladen hat. Jeder soll die Chance zu einem Neuanfang bekommen. Außerdem hat es zum Jahreswechsel 89/90 einen Neuanfang in der Ost-CDU gegeben. Es sind viele Menschen zu uns gekommen, die heute Verantwortung tragen.

Auch hier in Bonn ist von ihren neuen Parteifreunden kaum etwas zu hören oder zu lesen. Hat die Parteienvereinigung ihnen das Bedürfnis, sich selbst zu äußern, genommen? Oder das hierfür notwendige Selbstbewußtsein? Oder läßt man sie nicht zu Wort kommen?

Unsere Mediendemokratie ist etwas, womit sich die Parteifreunde aus den neuen Ländern erst anfreunden müssen. Aus einer Vielzahl von Gesprächen mit ihnen weiß ich, daß sie sich zunächst und vor allem als Vertreter ihrer Wahlkreise verstehen und sich deshalb auch sehr oft dort aufhalten. Dagegen halten sie es nicht für erforderlich, hier in Bonn dauernd mit irgendwelchen Presseerklärungen und Stellungnahmen auf dem Markt zu sein. Das finde ich auch richtig. Vielleicht können wir im Westen von dieser Art von Arbeit sogar etwas lernen. Überdies gibt es eine Vielzahl Kollegen aus den neuen Ländern, die verantwortungsvolle Positionen in der Fraktion innehaben.

Von denen hört man aber nichts. Die werden nicht gefördert und gefordert und rücken nicht hoch. Besonders ihre jungen Fraktionskollegen aus den alten Bundesländern beklagen, daß die CDU nicht für personellen Nachwuchs sorgt, daß sie jene, die ihn bilden könnten, völlig unzureichend berücksichtigt. Was antworten Sie ihnen?

Zur Stellung der neuen Kollegen aus dem Osten: Welche Rolle sie schon jetzt, etwa in der Fraktion, spielen, wird wenige Monate nach der Bundestagswahl öffentlich eben noch nicht wahrgenommen. Das halte ich aber für ganz normal.

Zum sogenannten Nachwuchsproblem: Ich sehe es, so wie Sie es schildern, nicht. Ich habe keine entsprechenden Klagen gehört und hielte sie auch für unberechtigt. Was wir brauchen ist eine inhaltliche Erneuerung in bestimmten gesellschaftspolitischen Bereichen. Und diese Erneuerung hat ja auch schon begonnen: mit der Arbeit am CDU-Grundsatzprogramm, mit der Diskussion über die Modernisierung der Parteiarbeit in den neunziger Jahren. Interview: Ferdos Forudastan

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