INTERVIEW: Stasi-Ideologie in AL jahrelang mehrheitsfähig
■ Der AL-Abgeordnete Bernd Köppl zum Fall Schneider: AL muß eigene von Stasi gelenkte Vergangenheit aufarbeiten
taz: Der Fall Schneider ist auch ein Fall Alternative Liste, weil seine Positionen dort einen erfolgreichen Resonanzboden gefunden haben. Jetzt ist eine Vergangenheitsbewältigung der AL in eigener Sache notwendig.
Bernd Köppl: Ja, sie ist überaus notwendig. Denn Schneider war ein Überzeugungstäter. Er war ja kein bezahlter Agent, der fremde Aufträge ausgeführt hat, sondern er hat seine Überzeugung mit der Stasi bei der AL erfolgreich durchgesetzt. Man kann sich gegen Agententätigkeit in einer offenen Partei nicht schützen, aber deprimierend im Fall Schneider ist, daß er jahrelang für seine Stasi- Ideologie in der AL die Mehrheit hatte.
Hat Schneider zu einer Destabilisierung der AL beigetragen oder dafür gesorgt, daß bestimmte, im Umgang mit der DDR notwendige Positionen bei der AL nicht entwickelt wurden?
Er hat eigentlich beides gemacht. Er hat dafür gesorgt, daß er mehrheitsfähig in der AL war und er hat auf der Basis dieser Position es dann geschafft, daß die Politik der AL und der Grünen gegenüber den demokratischen Bewegungen in der DDR und den anderen osteuropäischen Ländern sehr unglaubwürdig wurde. Schneider hat diese Bewegungen immer als antikommunistisch und reaktionär bezeichnet, und er hat diese Politik auch in der Zeit seines Bundestagsmandats öffentlich umgesetzt. So hat er bei der ersten DDR-Fluchtwelle 1983 pauschal von »Wirtschaftsflüchtlingen« gesprochen. Das hat uns viel an Glaubwürdigkeit bei den Menschen in der DDR gekostet.
Als innerparteilicher Gegner von Dirk Schneider haben Sie oft genug auch Niederlagen erlitten.
Ich hatte zu Schneider ein sehr gespanntes Verhältnis. Er und sein Freundeskreis haben mich in der Regel übelst beschimpft als »Schleimscheißer«, als »Arschkriecher« der SPD, als »Rückgratlos«. Das ist natürlich sehr bitter, weil ich das Gefühl habe, er hat dies nicht aus der politischen Kontroverse heraus gemacht, sondern stasigelenkt systematisch die Personen, die nicht seiner Meinung waren, in den eigenen Reihen denunziert und destabilisiert. Damit war er erfolreich. In diesem Sinne ist Schneider ein armes Schwein, aber er bleibt eben auch ein Schwein.
Notwendig ist, daß die AL sich gegenüber den von Schneider aus der Partei getriebenen entschuldigt.
Die denunziatorische Verfolgung von Wolfgang Schenk, die diesen aus der Partei getrieben hat, sollte noch einmal aufgearbeitet werden.
Die heutige Landesdelegiertenversammlung der AL könnte der Ort für eine Vergangenheitsbewältigung in eigener Sache sein.
Das beste wäre, wenn Schneider den Mut aufbrächte, dort hinzugehen, und sich seiner ehemaligen Organisation zu stellen. Gespräch: Gerd Nowakowski
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