INTERVIEW: „Die Gewaltspirale muß abgebogen werden“
■ Der neue sächsische Innenminister Heinz Eggert (CDU) vermutet in der Polizei gezielte Desinformationspolitik
Seit Anfang Oktober ist Heinz Eggert (45) Innenminister in Sachsen. Der neue Mann setzte am Mittwoch ein erstes Zeichen: In einer Blitzaktion ließ er 40 Wohnungen von „rechtsorientierten Gewalttätern“ durchsuchen (Bericht auf Seite4).
taz: Was haben Sie mit der Durchsuchungsaktion bewirken wollen?
Heinz Eggert: Ich wollte ein Zeichen setzen. Wer hier Gewalt gegen andere anwendet, muß irgendwann einmal die Folgen seines Handelns tragen. Es gibt keinen rechtsfreien Raum.
Sie sind gleich zu Beginn Ihrer Tätigkeit in die Schlagzeilen geraten mit der Äußerung, die einheimische Polizei sei überfordert. Wollen Sie die Landespolizei mit westlichen Führungskräften auf Vordermann bringen?
Das wäre die übliche Schwarz-weiß-Malerei. Ich habe gleich zu Beginn meiner Amtsführung Hoyerswerda und andere Anschläge auf Ausländer auswerten lassen. Dabei hat sich herausgestellt, daß bei bestimmten Aktionen — zum Beispiel in Hoyerswerda der Marsch der Linksradikalen — die Polizeiführer aus Sachsen von der Lageeinschätzung und vom psychologischen Einfühlungsvermögen her mit einer Situation konfrontiert waren, die sie nicht einmal mehr aus dem Kino kannten. Ich möchte verhindern, daß hier Gewalt gegen Gewalt gesetzt, sondern durch eine kluge, taktische Führung der Polizei die Gewaltspirale abgebogen wird. Das wurde hier nicht geleistet. Daraufhin habe ich als eine meiner ersten Anordnungen veranlaßt, daß dort, wo absehbar etwas passieren wird, ein erfahrener Polizeioffizier aus den Alt-Bundesländer zur Seite steht. Es geht mir nicht darum zu sagen, die sächsische Polizei könne das nicht. Es geht auch nicht darum, daß Beamte aus den alten Bundesländern hier die Führungskräfte ersetzen. Sie sollen das nötige Fachwissen mitbringen. Das dient auch der eigenen Sicherheit. Denn wenn die Polizei selbst unsicher ist, kann sie keine Sicherheit gewährleisten. Und die Sicherheit ist für mich kein Experimentierfeld.
Sie haben sich mit diesen Äußerungen bei der sächsischen Polizei bereits unbeliebt gemacht...
Ich wollte kein allseits geliebter Minister werden. Das ist bei einem Innenminister schlichtweg nicht möglich. Im übrigen ist meine Argumentation, mit der ich westliche Hilfe anforderte, nicht nach unten durchgestellt worden. Ich frage mich, ob in der Polizei eine gezielte Desinformation stattgefunden hat und somit die Einsatzbeamten vorsätzlich über meine Absichten im unklaren gelassen wurden.
Hartnäckig halten sich Gerüchte, innerhalb der sächsischen Polizei gäbe es eine hohen Anteil an „Republikanern“. Auffallend war jedenfalls die Zurückhaltung der Beamten bei Auseinandersetzungen mit Skinheads. Ist die Polizei auf dem rechten Auge blind?
Das wird immer wieder behauptet. Zunächst einmal muß man festhalten, daß die Polizisten wie jeder andere in dieser ehemaligen DDR-Gesellschaft umdenken müssen. Wir befinden uns in einem ungeheuren Lernprozeß. Hier brechen Identifikationsmuster weg, und deshalb haben Sie in ganz Osteuropa im Augenblick eine gewaltige Überhöhung des nationalen Elements. Das ist ganz normal, wenn man weiß, daß eine nationale Identität im Kommunismus überhaupt nicht gefragt war. Hier muß man aufpassen, daß dies nicht ein Feld wird, was später von Rechts beackert wird.
Was sähe in Hoyerswerda heute anders aus?
Ich würde, wie gesagt, Polizeikräfte aus dem Westen hinzuziehen. Darüber hinaus werde ich mit meinen Kollegen der Länderinnenministerkonferenz über eine Art Sicherheitspartnerschaft reden. Bei voraussehbaren rechts- oder linksradikalen Aktionen wollen wir enger zusammenarbeiten.
Welche Rolle spielt in Ihrem Sicherheitskonzept der Verfassungsschutz?
Ich wäre froh, wenn der Verfassungsschutz hier möglichst schnell arbeiten könnte. Was uns in Sachsen fehlt, ist eine Art Frühwarnsystem. Der Verfassungsschutz kann genau das leisten, wenn er richtig eingesetzt wird. Er kann den Politikern Entscheidungshilfen geben, indem er diese Felder Rechts- wie Linksextremismus oder Terrorismus versucht aufzuklären.
Ist Ihre Meinung über die Effizienz des Verfassungsschutzes nicht arg idealistisch?
Ich glaube, daß sich im Westen viele Situationen zugespitzt hätten, wenn der Verfassungsschutz nicht vorgearbeitet hätte.
Wen wollen Sie im sächsischen Verfassungsschutz beschäftigt sehen?
Sachsen! Und Fachkräfte aus den alten Bundesländern. Auf keinen Fall, auch nicht auf unterer Ebene, ehemalige Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit oder Personen, die in irgendeiner führenden Parteiposition waren: Und ich meine dabei nicht nur die SED, ich denke auch an die Blockparteien.
Wollen Sie auf die MfS-Leute verzichten, die sich seit langem in der rechten Szene auskennen?
Ich will sie nicht beschäftigen, aber ich würde hier in Sachsen gern einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß einrichten, der die Kompetenz hat, Stasi-Leute vorzuladen und anzuhören. Wenn sie sich weigern auszusagen, unterstünden sie dem Strafrecht.
In Sachsen gibt es momentan 10.300 Asylbewerber. Schließen Sie sich dem Spruch Ihres Vorgängers an, daß „das Boot voll“ sei?
Darum geht es doch gar nicht. Es ist völlig unrealistisch anzunehmen, daß irgendein Land in Europa kein Einwanderungsland sei.
Nun haben Sie sich kürzlich gegen die Einrichtung von „Sammellagern“ für Asylbewerber ausgesprochen und damit unter Ihren CDU-Kollegen eine Außenseiter-Position bezogen. Was stört Sie an „Sammellagern“?
Wir können uns in Deutschland mit Lagern einen hohen politischen Schaden zufügen. Abgesehen davon halte ich diese Lösung für unpraktikabel: Ich müßte in diesen Lagern genausoviel Polizei einsetzen, um die ethnischen Gruppen zu trennen, wie vor den Toren zum Schutz dieser Unterkünfte. Außerdem kann ich die Leute doch nicht einfach einsperren. Wir haben die Flüchtlinge hier nicht zu verwalten, sondern im Einzelfall zu prüfen, ob ihr Asylanspruch berechtigt ist.
Interview: Nana Brink und Barbara Geier
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