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INTERVIEW„Zwischen Daimler-Benz und Mitsubishi hat sich ein tiefes Verständnis entwickelt“

■ Takeshi Eguchi, Vize-Präsident der Mitsubishi Corporation und Konzern-Hauptverantwortlicher für die Kooperation mit Daimler-Benz, über die Schwierigkeiten miteinander

taz: Zum ersten Mal seit über einem Jahr haben die Verhandlungen zwischen Mitsubishi und Daimler- Benz ein konkretes Ergebnis hervorgebracht: Mitsubishi Electric und AEG Telefunken sind sich über die Zusammenarbeit bei Produktion und Vertrieb von Halbleitern einig geworden. Doch das Finanzvolumen des Projekts umfaßt nur wenige Millionen DM. Wir haben den Eindruck, Mitsubishi und Daimler klotzen nicht, sondern kleckern nur.

Takeshi Eguchi: Alle Projekte, die wir mit Daimler verhandeln, sind zeitraubend. Als wir vor eineinhalb Jahren erstmals eine gemeinsame Projektliste mit Daimler-Benz veröffentlichten, erweckten wir wohl den Eindruck, unsere Zusammenarbeit könne sehr schnell vorangehen. Doch Mitsubishi war sich von Anfang an bewußt, daß diese Gespräche Zeit und Geduld beanspruchen würden. Wir teilen deshalb nicht die Einschätzung mancher Medien, denen unsere Verhandlungen zu lange dauern oder ergebnislos erscheinen. Heute kann ich Ihnen sagen: Alle Projekte, über die wir mit Daimler- Benz reden, haben Fortschritte gemacht. Konkrete Projekte werden eben langsam in die Tat umgesetzt. Das Projekt von AEG und Mitsubishi Electric ist nur eines in einem langwierigem Prozeß.

Der Vorstandsvorsitzende Ihres Handelshauses, Yohei Mimura, hat uns vor wenigen Tagen mitgeteilt, die Verhandlungen mit Daimler- Benz gingen „langsam aber sicher“ voran. Zeugen seine Worte nicht auch von großen Schwierigkeiten?

Ich stimme mit den Worten von Herrn Mimura vollkommen überein. Natürlich ist es nicht so, daß es überhaupt keine Schwierigkeiten gibt. Es sind die üblichen: unsere Geschichte und Mentalität, unsere Gewohnheiten sind unterschiedlich.

Ständig werden diese angeblichen kulturellen Verständigungsschwierigkeiten angeführt. Worin liegen die überhaupt?

Schwierigkeiten ist das falsche Wort. Wir sprechen lieber von Unterschieden. Internationale Zusammenarbeit ist unmöglich, wenn man diese nicht versteht. Deshalb stellen wir in unser Projektteam nur Leute ein, die lange in Deutschland gelebt haben. Ich selbst habe von 1957 bis 1965 im Maschinen-Handel für Mitsubishi in Düsseldorf gearbeitet. Dort sind auch meine beiden Kinder geboren. Ich finde übrigens, daß wir Japaner Deutschland viel besser kennen als umgekehrt.

Weil dem so ist: glauben Sie überhaupt, daß sich die Verständnisschwierigkeiten insbesondere der Deutschen eines Tages überbrücken lassen?

In den letzten eineinhalb Jahren hat sich zwischen Daimler-Benz und Mitsubishi ein tiefes gegenseitiges Verständnis entwickelt. Nach dem letzten Spitzentreffen im Oktober in Baden-Baden waren auch die Deutschen hoch zufrieden. Ich wage sogar zu behaupten, daß sich die Spitzenleute auf beiden Seiten heute bereits gut verstehen.

Die mächtigsten Unternehmer Asiens und Europas verfügen also heute über ein Vertrauensverhältnis?

Ohne Zweifel. Zumindest was die japanische Seite betrifft, sollte Sie das nicht überraschen. Denn unter den Führungsleuten japanischer Unternehmen gibt es ja viele Deutschland-Fans.

Haben Sie auch Japan-Fans in Stuttgart kennengelernt?

Bei Daimler gibt es immer noch Leute, die mit dem Namen Mitsubishi nicht so schnell warm werden können. Wir sollten in unseren Gesprächen deshalb darauf achten, daß gerade auch diejenigen, die nicht auf der Führungsebene, sondern innerhalb der einzelnen Projekte an der Kooperation beteiligt sind, ein besseres Verständnis untereinander erreichen.

An gegenseitiger Höflichkeit mangelt es jedoch nicht nur auf den unteren Ebenen. Der Daimler-Vorstand und Mercedes-Chef Werner Niefer hat doch erst kürzlich den Japanern generell vorgeworfen, „eindeutig einen Wirtschaftskrieg“ zu führen.

Für die Autoindustrie eines jeden Landes wäre es natürlich schöner, ganz allein über den nationalen Markt zu verfügen. Aber in einer freien Weltwirtschaft geht so etwas nicht. Die Frage lautet deshalb: Wie gehen wir ordnungsgemäß miteinander um? Die Äußerung von Herrn Niefer irritiert mich in dieser Hinsicht überhaupt nicht. Ich kann ihm nur wünschen, daß seine Autos sich in Zukunft besser verkaufen lassen.

Besser verstehen Sie sich offenbar mit dem Daimler-Vorsitzenden Edzard Reuter. Teilen Sie sein Ansinnen einer „strategischen Allianz“ zwischen Mitsubishi und Daimler?

Ja. Auch ich verstehe die Zusammenarbeit unserer Konzerne als eine langfristige strategische Allianz. Alle Äußerungen Reuters sind uns bekannt. Es gibt keinerlei Meinungsunterschied zwischen uns und ihm, wenn es um die grundsätzlichen Gedanken und Erwartungen bezüglich der Zusammenarbeit geht.

Luft- und Raumfahrt stellen einen der wichtigsten eventuellen Kooperationsbereiche dar. Doch sowohl Daimler als auch Mitsubishi arbeiten hier mit US-amerikanischen Firmen zusammen, die ihre Kritik an einem deutsch-japanischen Projekt lautstark geäußert haben. Haben Ihre Gespräche mit Daimler auf diesem Gebiet überhaupt noch eine Chance?

Richtig ist, daß die Kooperationsverhältnisse in diesem Bereich besonders kompliziert sind. Doch die Verhandlungen zwischen der DASA (der Daimler-Raumfahrttochter Deutsche Aerospace — Red.) und Mitsubishi Heavy Industries gehen weiter. Mir ist bisher nicht bekannt, daß dabei besondere Hindernisse im Wege stehen. Die Arbeit im Luft- und Raumfahrtbereich braucht besonders viel Zeit. So schnell kann dabei nichts herauskommen.

Das in Japan einflußreiche Industrie- und Außenhandelsministerium, das MITI, hat erst kürzlich Sorgen geäußert, denen zufolge die Zusammenarbeit zwischen Daimler und Mitsubishi die guten Verhältnisse japanischer Unternehmen mit den USA beeinträchtigen könnte.

Davon habe ich nur aus der Zeitung erfahren. Was das MITI wirklich denkt, weiß ich nicht. Aber die Amerikaner sind über unsere Gespräche informiert. Ich glaube deshalb auch nicht, daß hier irgendwelche dringenden Probleme entstehen werden.

Ein besonderes Interesse in Deutschland an Ihren Gesprächen mit Daimler-Benz galt der Frage, ob sich beide Unternehmen für eine gemeinsame Investition in einem der fünf neuen Bundesländer entschließen. Inzwischen scheint davon nicht mehr die Rede zu sein.

Dabei ging es um den gemeinsamen Bau eines Kleinlastwagens. Mein Eindruck ist, daß dieses Projekt in der ehemaligen DDR bei Daimler-Benz nicht mehr vorankommt.

Ist das ein Grund dafür, warum Mitsubishi auch auf eigene Faust in der ehemaligen DDR nichts unternimmt?

Nicht nur Mitsubishi, auch andere japanische Unternehmer sind in der ehemaligen DDR bisher nicht aktiv. Es ist schlicht so, daß sich für uns die Geschäfte dort noch nicht rentieren. Deshalb kann es auch nicht sein, daß Mitsubishi dort nicht investiert, nur weil es beim Autobau mit Daimler- Benz nicht klappt. Schließlich ist Mitsubishi in vielen industriellen Bereichen tätig.

Noch immer hegt die Welt die Hoffnung, Japan und Deutschland könnten die Sowjetunion vor dem wirtschaftlichen Untergang retten. Hatten sich nicht Mitsubishi und Daimler auch in Moskau einiges vorgenommen?

Es war zwar die Rede davon, in der Sowjetunion ein gemeinsames Lastwagenprojekt zu betreiben. Aber es scheiterte an den sowjetischen Verhältnissen. Das lag weder an Daimler noch an uns. Wir wissen ja derzeit nicht einmal, wer von der sowjetischen Seite für das Projekt zuständig wäre. Im übrigen eignet sich die Sowjetunion nicht sonderlich für Versuchsprojekte, weil die Produktionsmaßstäbe hier von der Menge her so groß sind. Versuchsprojekte probiert man lieber in einem kleineren Land. Das Risiko in der Sowjetunion ist einfach zu groß.

Seit die Gespräche zwischen Tokio und Stuttgart vor eineinhalb Jahren begannen, haben Mitsubishi-Unternehmen mit Firmen wie Volvo und dem US-Telekommunikationskonzern AT&T umfangreiche Verträge geschlossen. Arbeitet Mitsubishi mit anderen ausländischen Firmen besser und schneller zusammen als mit Daimler-Benz?

In Stuttgart ist man über unsere Kooperationen mit anderen Firmen informiert. Die von Ihnen genannten Verträge beeinträchtigen in keinster Weise unser Engagement bei den Gesprächen mit Daimler-Benz.

Ihr direktes Gegenüber in Stuttgart ist Daimler-Vorstandsmitglied Gerhard Liener, der auf deutscher Seite für die Gespräche mit Mitsubishi verantwortlich ist. Wie regelmäßig verlaufen Ihre Kontakte?

Wir sehen uns ungefähr einmal im Monat, mal in Deutschland, mal in Japan. Darüber hinaus telefonieren wir sehr oft. Zwischen uns gibt es nichts zu verheimlichen. Ich sage meine Meinung offen, auch wenn es ihm nicht paßt, und umgekehrt. Das gehört für mich zum gegenseitigen Verständnis.

Ein Vorschlag von Mitsubishi Heavy Industries, der einen Austausch von Technologieexperten anbot, wurde unlängst von Daimler abgelehnt. Haben Sie schon mehr solcher Körbe erhalten?

Von der Absage, die Sie erwähnen, weiß ich nichts. Im allgemeinen kommt es natürlich vor, daß eine Seite auch einmal deutlich nein sagt. Beide Seiten brauchen diese Offenheit im Umgang miteinander.

Absage beim Expertenaustausch, Absage in der DDR, Absage in der Sowjetunion, Schwierigkeiten im Luftfahrtbereich — lassen sich denn vor diesem Hintergrund noch alle großen Worte von der strategischen Allianz und der Einmaligkeit der Verhandlungen mit Daimler-Benz aufrecht erhalten?

Sie sprechen es ja selber an: Der Umfang dieser Zusammenarbeit ist schon einmalig. Eine solch breit angelegte Zusammenarbeit zwischen mehreren Unternehmen gibt es eben nicht so oft. Wenn das klappt, was wir uns heute vorstellen, dann wäre die Wirkung in der Tat enorm. Die Kompliziertheit und der Umfang der Verhandlungen zwingen uns nämlich, auf der Basis einer breiten Gesamtperspektive zusammenzuarbeiten. Gerade deshalb ist unser Vorhaben umso bedeutungsvoller.

Wann findet das nächste Spitzentreffen statt?

Im nächsten Herbst.

Interview: Chikako Yamamoto und Georg Blume

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