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INTERVIEW„Wenn das Geld fehlt...“

■ Jürgen Neumann, Sprecher der Deutschen Aids-Hilfe, zum Bonner Streichkonzert

taz: Alle 13 Minuten infiziert sich in den USA ein Mensch mit HIV. Zehn Millionen haben sich bisher weltweit angesteckt. Solche Zahlen kursieren immer wieder, um die große Bedrohung durch Aids zu untermauern. Gleichzeitig werden hierzulande drastisch die Mittel gekürzt. Wie geht das zusammen?

Jürgen Neumann: Was uns angeht, können wir im Augenblick noch nicht von drastischen Mittelkürzungen reden. Es besteht aber die Gefahr, daß auch bei uns gestrichen wird. Die Deutsche Aids-Hilfe konnte seit 1988 ihren Etat von rund sieben Millionen Mark noch halten.

Bei einer Verdoppelung der Arbeit.

Es gibt mehr Infizierte und Kranke und die Prävention in Ostdeutschland, also ein viel größeres Aufgabenfeld. De facto kann man also schon von einer Mittelkürzung sprechen, wenn auch nicht in dem Ausmaß, in dem andere Organisationen betroffen sind.

Wie sieht es insgesamt im Bonner Aids-Etat aus?

Die 1987 eingerichteten Bundesmodellprogramme zur Prävention und Versorgung sind ausgelaufen. Die Bundesregierung hat erklärt, daß eine Weiterfinanzierung Ländersache ist, sie hat aber versäumt, mit den Ländern eine Anschlußfinanzierung abzuklären. Das hat dazu geführt, daß manche Projekte schließen mußten und die ambulante Versorgung in einigen Städten und Bundesländern katastrophale Ausmaße angenommen hat. Der Aids-Pflegedienst in Kiel mußte seine Arbeit einstellen, in Berlin kann die Aids-Pflegestation der Arbeiterwohlfahrt nicht weiterarbeiten. Auch in Bayern und Rheinland-Pfalz stehen einige Projekte vor dem Ende. Und kein einziges der fortgeführten Projekte kam finanziell über den Status quo hinaus. Bei immer mehr Kranken, die zu versorgen sind.

Manche Kritiker sprechen von einem Kahlschlag in der Aids-Bekämpfung.

Das würde ich so nicht sagen. Allerdings hat die mittelfristige Finanzplanung beim Bund tatsächlich dramatische Ausmaße. Die Gelder zur Aids-Bekämpfung und Aids-Aufklärung sollen bis 1995 auf Null gebracht werden. Sie liegen jetzt bei 30 Millionen Mark und sollen sukzessive zurückgeschraubt werden.

Was bedeutet die Mittel-Knappheit für die Prävention im Osten?

Wenn das Geld für eine ausreichende Prävention fehlt, besteht die Gefahr, daß es in den neuen Bundesländern zu einer ähnlich starken Ausbreitung kommt, wie wir sie hier von 1984 bis 1987 hatten.

Staatssekretär Wagner hat sich gestern vor dem Deutschen Aids-Kongreß zur Verantwortung der Bundesregierung bekannt und angemessene Mittel versprochen. Was ist von solchen Parolen zu halten?

Wir nehmen das erst mal ernst. Wir glauben, daß uns Gesundheitsministerin Hasselfeldt unterstützen wird. Die Frage ist, ob sie sich finanzpolitisch durchsetzt. Die Unterstützung muß sich in Mark und Pfennig ausdrücken. Das werden wir sehen.

Wäre die finanzielle Situation günstiger, wenn mehr Heterosexuelle infiziert wären? Es gibt ja den bösen Spruch, daß eine Seuche unter Meerschweinchen bei uns mehr Mitleid auslösen würde als Aids, das zu 90Prozent Schwule und Fixer betrifft.

Grundsätzlich bin ich überrascht über das Ausmaß der Solidarität mit den Infizierten und Kranken. Die ist bei uns im Vergleich mit anderen Ländern sehr hoch. Andererseits ist es absurderweise tatsächlich so, daß die Berichte über zunehmende Infektionen bei Frauen oder bei Heterosexuellen die Gelder besser fließen lassen. Solche Berichte werden der tatsächlichen Entwicklung bei Aids natürlich nicht gerecht, weil sich bisher nur fünf Prozent über heterosexuelle Kontakte infiziert haben. Aber wir haben auch gesehen, daß dadurch der politische Druck größer wird.

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