INTERNATIONALE GEMEINSCHAFT BESTRAFT BOSNIENS NATIONALISTEN: Ein Schritt ohne Alternative
Verwunderlich ist der Vorgang schon. Die von der OSZE geleitete Wahlkommission in Bosnien und Herzegowina suspendiert gewählte Volksvertreter und entschiedet dann auch noch, die frei werdenden Sitze nicht mehr neu zu besetzen. Die Strafen, die vor allem gegen serbische und kroatische Extremisten gerichtet sind, könnten als Korrektur eines unangenehmen Wahlergebnisses gewertet werden. Mehr noch: Es drängt sich der Verdacht auf, die internationale Gemeinschaft wolle auf diese Art ein Wahlergebnis korrigieren, das in den von Kroaten und Serben dominierten Gebieten die Extremisten zu den stärksten Parteien hat werden lassen. Sowohl der Hohe Repräsentant Wolfgang Petritsch als auch die OSZE haben vor den Wahlen eindeutig Partei für die multikulturell ausgerichteten nichtnationalistischen Parteien ergriffen.
In den von Muslimen (Bosniaken) dominierten Gebieten hat es ja auch geklappt. Dort wurden die Sozialdemokraten stärkste Partei. Es stellt sich jedoch die Frage, ob es erlaubt ist, nach den Wahlen Korrekturen des Wahlergebnisses vorzunehmen und damit den Volkswillen zu verfälschen. Wäre dem wirklich so, wäre der demokratischen Entwicklung in Bosnien und Herzegowina ein Bärendienst erwiesen. Man kann sich das Wahlvolk nicht so zurechtbiegen, wie man es gern haben möchte.
In der Tat bleibt ein fader Beigeschmack. Die internationalen Organisationen hätten schon vor den Wahlen handeln können. Der Eindruck, man habe beide Augen zugedrückt, um die Wahlen ohne größere Konflikte über die Bühne zu bringen, ist sicherlich nicht falsch. Doch auch jene, die nun wie der US-Botschafter bei der UN, Richard Holbrooke, der Meinung sind, man hätte die extremistischen Parteien schon im Vorfeld der Wahlen verbieten sollen, machen die Sache nicht besser.
Nicht Worte oder Absichtserklärungen, sondern Taten und eklatante Verstöße gegen das Abkommen von Dayton können bestraft werden. Das Vorgehen der OSZE mag drastisch sein. Doch zum rechtsstaatlich abgesicherten Verfahren gibt es keine Alternative. Wer wie die Serbische Demokratische Partei (SDS) die Ergebnisse von Wahlen verfälschen will, muss mit Sanktionen rechnen. Auch liberale Politiker wie Haris Silajdžić mussten Federn lassen. Politisch trifft das Vorgehen der OSZE aber allein die serbischen und kroatischen Extremisten am Nerv. Die Drohung der Kroaten, jegliche Mitarbeit zu verweigern, mag Emotionen wecken – aber sie ist sinnlos und wird am Ende nur der kroatischen Bevölkerung schaden. ERICH RATHFELDER
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