INDONESIEN: TROTZ WAHIDS NIEDERLAGE IST EIN WECHSEL NICHT IN SICHT: Begründetes Zögern
Erleichterung in Jakarta: Die Anhänger von Präsident Abdurrahman Wahid haben nicht randaliert, sondern sind brav in ihre Heimatorte zurückgekehrt. Noch vergangene Woche hatte der Regierungschef mit einer „nationalen Rebellion“ gedroht, falls das Parlament es wagen sollte, ihm die gelbe Karte zu zeigen. Doch der Bluff hat nicht funktioniert. Die Abgeordneten besorgten sich Pistolen und Leibwächter – und stimmten gegen ihn.
Jetzt steht Wahid so einsam da wie nie zuvor. Die Regierung ist gelähmt, die Zentrale verliert die Kontrolle über die Provinzen. Deshalb muss der Regierungschef gehen. Hinter den Kulissen verhandeln alle wichtigen Fraktionen mit Vizepräsidentin Megawati Sukarnoputri, die an seine Stelle treten soll. Die ehemalige Suharto-Partei Golkar, ebenso wie die „Zentralachse“ aus rechten muslimischen Gruppen und einige Militärs bedrängen sie, die Macht so schnell wie möglich zu übernehmen. Doch Megawati zögert immer noch. Dafür hat sie gute Gründe: Aus Angst, in einem späteren Machtkampf selbst aus dem Amt intrigiert zu werden, beharrt die Politikerin darauf, dass ein Machtwechsel „nicht gegen die Verfassung verstoßen“ darf. Wie das mit einem Wahid, der sich weiter ans Amt klammert, funktionieren soll, bleibt unklar.
Megawati misstraut den Gegnern Wahids, die sich jetzt bei ihr einschmeicheln wollen, aufs schärfste. Was Wunder: Schließlich war es der ehrgeizige Muslimpolitiker Amien Rais, der im Oktober 1999 mit heftigen Intrigen dafür sorgte, dass sie gegen Wahid unterlag – obwohl ihre eigene Partei eine deutliche Mehrheit im Parlament hatte. Megawati fürchtet zu Recht, dass solche Verbündete sie sofort wieder fallen lassen würden, wenn sich die Gelegenheit dazu böte – um dann ein Regime zu errichten, das die Interessen der konservativen Muslime mit denen der alten Golkar-Elite und des indonesischen Militärs vereint.
Um sich zu schützen, fordert die Politikerin nun unter anderem die „Garantie“, dass sie bis zum Ende der Amtsperiode 2004 nicht gestürzt wird. Es sieht also ganz so aus, als würde sich die Misere in Jakarta noch lange hinziehen. JUTTA LIETSCH
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