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IN UND AUSSER DER REIHE

■ Eine Ausstellung mit Büchern und Zeitschriften aus der DDR

Strafzettel wurden an diesem Freitag vormittag des 10.November von Polizeihostessen an die Windschutzscheiben der Trabis gesteckt, die schräg auf dem Gehsteig der Budapester Straße geparkt wurden. Über den Breitscheidplatz wanden sich die Schlangen der DDR-Besucher, die um ihr Besuchergeld bei den Sparkassen anstanden. Das 'Neue Deutschland‘, das in der zu eröffnenden Ausstellung zur Ansicht auslag, trug noch die Schlagzeile „Konzeption eines modernen Sozialismus im Mittelpunkt“ - der Blick durch das Fenster des zweiten Stockwerks der Budapester Straße 44 zeigte bereits an, wie der moderne Sozialismus über Nacht gang und gäbe geworden war.

Etwas kurzatmig waren denn auch die Eröffnungsreden zu dieser Ausstellung Bücher und Zeitschriften aus der DDR. Noch rühmte man zwar die hervorragende Zusammenarbeit zwischen Buchexport/Leipzig Volkseigener Außenhandelsbetrieb und dem Westberliner Zeitungsvertrieb Gebrüder Petermann, dank welcher eine derartige Ausstellung jetzt zum dritten Mal realisiert werden konnte, und doch ließ man schon durchklingen, daß es vielleicht die letzte gewesen sein wird. Nur Klaus Wagenbach, Vertreter des Westberliner Buchhandels, zeigte sich überzeugt, daß es jetzt erst richtig losgehen würde, denn Bücher würden immer gehandelt, wieviel mehr über offene Grenzen hinweg.

Vielleicht dachte er da an den „DDR-Bücherwurm“, der jetzt all die schönen Wagenbach-Bücher neidvoll im Schaufenster erblickt. Aus einer Zeit vor dem 9.November wurde berichtet, daß damals das Lesen eine der „beliebtesten Freizeitbeschäftigungen“ der DDRler gewesen sei. Damals galt auch noch die bewährte Statistik, daß bei einer Gesamtauflage von 150 Millionen Buchexemplaren pro Jahr auf jeden DDR-Bürger neun Stück kommen. In der Zwischenzeit vielleicht schon zehn, errechnete ein gewitzter Ausstellungsbesucher. Das hätten wir gern, sagte Klaus Wagenbach.

Um zu demonstrieren, daß zumindest die Fachleute in der DDR das Westbuch kennen und schätzen, wurden im Anschluß daran Westberliner Verlage für ihre schönen Bücher prämiert: die Nicolaische Verlagsbuchhandlung, der Verlag Wilhelm Ernst und Sohn, die Berliner Handpresse, der Verlag Brinkmann und Bose und der Siedler-Verlag.

In der Ausstellung bekamen wir dann zu sehen, was wir bei unserem letzten Besuch im „Internationalen Buch“ schon nicht angeschaut haben: die Goethes und Schillers, auf die fast immer Lion Feuchtwanger folgt, und den immer präsenten Ilja Ehrenburg. Nicht unweit davon standen auch hier die immer schon gesehenen (und jetzt zum ersten Mal in die Hand genommenen) Ratschläge für die Hühnerhaltung, das Grundwissen für Imker und das Wörterbuchsortiment (jeder Besuch in Ost-Berlin stellt mich erneut vor die Frage, ob ich nicht doch Kirgisisch lernen soll). Rembrandt und Cezanne vorne im Hochglanzband. Abseits davon auf einem Extratischchen die Sonderausgabe Nachdenken über Ossietzky aus dem Ossietzky-und-Co.-Verlag.

Ein paar Titel fand ich zuletzt doch, die ich im „Internationalen Buch“ nicht gesehen habe: Zerreißt mir nicht meine silbernen Saiten - eine Lieder- und Gedichtesammlung von Wladimir Wyssozki in Russisch und Deutsch; Georgs Versuch an einem Gedicht und andere positive Texte aus dem Dichtergarten des Grauens und Die Ration, das Ja und das Nein - illustrierte Lyrikausgaben der jungen DDR-Autoren Jan Faktor und Rainer Schedlinsky, die in der „Außer-der-Reihe„-Reihe im Aufbau-Verlag erschienen sind. Vielleicht, denke ich, sind sie bald nurmehr die Vorläufer all jener, die weder in Reih und Glied noch außerhalb einzuordnen sind. Sie werden auch lesen, am 14.November im Literaturhaus, am 16. findet dort ein Vortrag zur „Neuen DDR Literatur“ statt.

Michaela Ott

Ausstellung noch bis zum 19.November, Budapester Str. 33, 2. OG

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