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IN RUHIGEM TON: SCHILY PRÄSENTIERT DEN KRIMINALITÄTSBERICHTJenseits des Alarmismus

Otto Schily ist nicht Manfred Kanther, rot-grüne Politik der inneren Sicherheit anders als konservative. Das demonstrierte Schily gestern bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Wo Schily nüchtern die Fakten darstellt, hatte Kanther früher die Bürger stets mit Horrorszenarien verschreckt – um sich als Retter zu inszenieren, der weitere Gesetzesverschärfungen forderte. Das ging auf Kosten der Bürgerrechte und allzu häufig auch von Einwanderern.

Schily verzichtet auf dieses schlichte wie über Jahrzehnte recht erfolgreiche Politikmodell der inneren Verunsicherung. Er wagt es sogar, darauf zu verweisen, dass Deutsche, nicht Ausländer vermehrt zu den Tatverdächtigen zählen. Das ehrt den Innenminister. Denn auch er könnte das Zahlenwerk für seine Politik der inneren Sicherheit instrumentalisieren, um von Defiziten in anderen Politikfeldern abzulenken. Schließlich stieg die Zahl aller registrierten Straftaten erneut leicht an. Schily betont trotzdem, dass Deutschand zu den sichersten Ländern überhaupt zählt. Das ist keine billige Wahlkampfpropaganda. Es ist fast schon mutig, weil es alte Denkschablonen durchbricht.

Nur Schily kann sich dieses Auftreten leisten. Denn wir wissen, dass nur der nüchterne Verweis auf undramatische Kriminalitätszahlen Menschen nicht beruhigen wird, die glauben wollen, dass alles immer schlimmer wird. Das mussten Rot-Grün bei der Wahl in Hamburg und die Linke jüngst in Frankreich bitter erfahren. Man muss, um in diesem Milieu Glaubwürdigkeit zu erlangen, sich hin und wieder wie die Axt im Walde gegen Linksliberale aufführen. Schily hat das getan, daher ist er glaubwürdig bei WählerInnen, die anfällig für Politikkonzepte à la Kanther sind.

Die Vorstellung der PKS kurz nach Erfurt ist eine glückliche Fügung. Sie kann dazu beitragen, dass die erregte Gesellschaft ein wenig zur Ruhe kommt. Denn dieser Bericht belegt: Es ist wenig dran an der These von der Jugend ohne Werte und Halt. Die Republik wird auch nicht immer gewalttätiger und roher – im Gegenteil. Das Gewaltniveau sinkt seit Jahren. EBERHARD SEIDEL

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