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IN DER NORDSEE PRALLEN UMWELT- UND NATURSCHUTZ AUFEINANDERWindkraft auf hoher See

An Land stoßen Windkraftanlagen immer mehr auf Widerstand – der mal mehr, mal weniger vernünftig ist. Aber auf jeden Fall massiv. Also haben die Freunde der erneuerbaren Energie das Meer – konkret: die Nordsee – als mögliche Baustelle entdeckt. Sieht ja auch einfach aus: Viel Platz, keine protestierenden Dörfler, und Wind gibt es auch. Warum sollten sich da nicht ein paar hundert Windräder unterbringen lassen? Das meinen jedenfalls Umweltminister Trittin, Greenpeace und die Windenergie-Industrie. Aber wie so oft: Die scheinbar einfache Lösung hat ihre Tücken. Denn die Nordsee ist schon besetzt.

Die Windräder können nur dort gebaut werden, wo keine Schifffahrtsrouten verlaufen, keine Bodenschätze abgebaut werden, keine Fanggründe der Fischer sind oder Ölplattformen dümpeln. Und ins Wattenmeer sollten sie auch nicht. Bleiben also nur noch flache Gewässer oder künstliche Inseln in jenen wenigen Gebieten, die vom Menschen noch nicht genutzt werden. Eine zwingende Logik.

Leider sind es diese letzten ungenutzten Areale, die sich als einzige für marine Schutzgebiete eignen. Noch existieren kaum Meeresnaturschutzgebiete. Aber sie werden gebraucht und international gefordert: In der Nordsee liegen riesige Rastplätze für Zugvögel. Man kann Kormoranen nicht befehlen, woanders zu pausieren. Und auch hoch spezialisierte Fischarten kann man nicht auffordern, doch im Polarmeer zu laichen, weil so schnell dort keine Windräder zu erwarten sind.

„Dramatisierung!“, werfen hier all jene ein, die gern den Begriff „Offshore“ von der Ölförderung auf die Windkraft erweitern würden. Doch auch diese Befürworter können nicht sagen, welche Folgen die Windkraft für die marine Fauna und Flora hätte – sie sind schlicht unerforscht. Nur eines ist bisher klar: Windparks bedeuten Bauarbeiten und Wartung, bedeuten elektromagnetische Schwingungen und Lärm. Kurz: Störfaktoren.

Der Konflikt um die Nordsee ist tragisch: Umweltschutz kämpft gegen Naturschutz. Diese Auseinandersetzung vereint sich symbolisch im grünen Bundesumweltminister Jürgen Trittin. Einerseits setzt er sich für ein verbessertes Bundesnaturschutzgesetz ein; andererseits wirbt er mit allen Kräften für erneuerbare Energien. Am Ende wird ein Kompromiss stehen, der das eigentliche Problem verschleiert: dass Umweltschutz und Naturschutz in der Gesellschaft inzwischen beide so an den Rand gedrängt sind, dass sie sich um die letzten Flächen balgen müssen. MAIKE RADEMAKER

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