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Archiv-Artikel

IM LADEN Das Rote, das Blaue

„Du bist doch der Fachmann“

Gestern hatte ich gute Laune. Da gönn ich mir mal was, hab ich gedacht und bin einkaufen gegangen. Ich gehe sonst nie einkaufen. Erstens hab ich kein Geld, zweitens keine Zeit und drittens ist es doch generell deprimierend, wenn man am Ende einer schier endlos scheinenden Suche in der Kabine steht und feststellt, dass man wieder nicht den passenden Körper zur Kleidung mitgebracht hat.

Aber gestern hatte ich gute Laune und Geld und Zeit. Und dann stand ich in diesem netten kleinen Laden und probierte: das Grüne, das Rote, das Blaue. Der Verkäufer brachte mir geduldig eins nach dem andern, und ich drehe und wende mich so und kann mich einfach nicht entscheiden. „Hach, das ist aber auch schön!“, sage ich. „Aber das Grüne ist so lustig.“ Ich ziehe noch mal das Grüne an. Und dann das Rote und danach das Blaue.

„Wann ist denn Deadline?“, frage ich den Verkäufer. Er guckt verständnislos. „Wie lange Zeit habe ich noch? Du willst doch sicher auch nach Hause.“ Mein Gott, hab ich gute Laune! Leicht irritiert wirft der Mann einen Blick auf sein iBook. Irgendwie sieht er ängstlich aus. „Wir schließen um 20 Uhr“, sagt er tonlos, „jetzt ist es zehn vor sieben.“ Ich meine, einen leicht schwäbischen Akzent zu hören. Wahrscheinlich ist der arme Junge noch nicht lange in Berlin und hat in den Ratgebern für Stuttgarter Neuzugänge gelesen, dass die Berliner immer unfreundlich sind. Jetzt hat er Angst, dass ich ihm gleich eins überbrate.

„Mach doch mal ’n Spruch“, sage ich, „du bist doch der Fachmann.“ Er sieht so verstört aus, dass ich überlege, ob ich aus Versehen gerade Norwegisch geredet hab. „Welches ich nehmen soll?“, übersetze ich. „Das ist Geschmackssache“, antwortet er. Ich glaube, es bringt mehr, wenn ich mich mit meinem Spiegelbild unterhalte. Das reagiert wenigstens. Ich hab dann das Blaue genommen. LEA STREISAND