piwik no script img

IM AMEISENHAUFEN

■ „Startled Insects“ in der Kongreßhalle

Die „Time Bandits“ sind ein kleiner Haufen von Trollen, die dank einer gestohlenen Sternenkarte durch Zeit und Raum reisen können, mit dem wenig hehren Ziel, unterwegs so viel wie möglich zu plündern und zu rauben. Versehentlich sammeln sie dabei einen kleinen Jungen auf und wenn sie nicht gerade auf, der Flucht vor dem mächtigen Bösewicht sind, machen sie Napoleon betrunken und mischen sich in Aufstände ein. Selbstredend nimmt alles ein gutes Ende, welches jedoch böse genug ist, die Eltern des Kleinen in Rauch und Flammen aufgehen zu lassen. Das ist ein Film.

Die „Startled Insects“ sind ein anderer: Ein kleiner Haufen Krabbeltiere, verkleidet als Imker, kann mittels eines Computerprogramms durch Raum und Musikgeschichte reisen, mit dem einzigen Ziel, möglichst spaßig durch die Materie zu toben. Einige ihrer Kumpels haben sich eine Batterie von Filmprojektoren besorgt und spulen dazu Filme über kleine Tiere und große Städte ab. Versehentlich bleibt dem Zuschauer der Mund offen stehen, trunken von Bildern und angestachelt vom musikalischen Aufstand auf der Bühne. Selbstredend nimmt alles ein Ende, ein ziemlich schnelles, aber mehr hätte man sowieso nicht vertragen.

Die britische Gruppe läßt das vergessen, mit dem man hier zur Genüge gestraft ist: Multimedia als Künstlertherapie. Spendet für das deutsche Multimediarose-Hilfswerk! Und seht Euch diese Fanatiker an, die elektrodenscharf am technologischen Overkill vorbeischliddern, weg von verwackelten Super8-Filmen und weg von der MTV-Videogrütze, hin zu einer fesselnden Verbindung von Bildern und Tönen.

Die „Aufgeschreckten Insekten“ haben sich den richtigen Namen gegeben: Sie arbeiten wie im Ameisenhaufen, gierig auf mehr, und sie wollen das und nichts anderes; sie verschulden sich mit jedem Auftritt und verweigern sich talentgeifernden Anrufen der Fernsehanstalten und Werbeagenturen. Sie wollen Geschichten erzählen, von den Dinosauriern der Zukunft, Bäumen und Ratten oder von der Neonflut der Großstädte.

Man ist ganz alleine mit ihnen während der Show, die Betonkirchen-Architektur der Kongreßhalle verblaßt, sie können überall auftreten, brauchen keine modrigen Geschehnisräume oder schicken Fabriketagen. Das Auge frißt Bilder, und die Ohren saugen Musik auf, die ohne Ethno -Krücken die Klänge dieser Welt verbindet: Play on.

rah!

Die „Startled Insects“ noch heute und morgen, jeweils 20 Uhr in der Kongreßhalle und im Rahmen von Krakatau.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen