■ III. Wahl: Elfmal täglich
Was läuft eigentlich in den Dritten Programmen zwischen 14 und 17 Uhr? Zum Beispiel:
Die „Abendschau“, jeden Tag ab 10.30 Uhr, B 1
Nörgler kann man mit Verweis auf den grundseriösen SFB in die Pause schicken. Schließlich läutet der schon morgens um halb elf den Feierabend ein. Da wird im SFB-Lokalsender B 1 die erste „Abendschau“ gesendet. Zwischen 15 und 17 Uhr läuft sie gleich dreimal, dann ist auch der letzte Berliner überredet: rin in die Pantoffeln!
Alles Strategie. Weil das SFB-Regionalprogramm gern das n-tv Berlins werden würde, setzt man seit April auf „Info-Offensive“. Damit die mit solch schweißtreibenden Tönen nicht gerade verwöhnten B-1-Zuschauer auch mitmachen, muß das staubige SFB-Flaggschiff „Abendschau“ gleich elfmal täglich in Kurzfassung ran. Die 1958 ins Leben gerufene Nachrichtensendung um 19.30 Uhr ist immerhin die meistgeguckte Deutschlands. Den wilden Wedding vermittelt ein 21jähriger, der seinen Doberman auf einen Mitmenschen gehetzt hat. „Der Hund biß das Opfer mehrfach in den Bauch. Anschließend schlug der 21jährige dem Verletzten mit einer Bierflasche ins Gesicht“, verliest eine Blonde mit hochgezogener Augenbraue die Agenturmeldung. Und das stündlich. Zum Ausgleich haben Praktikanten ein paar Blätter für den aktuellenWaldschadensbericht abgefilmt.
Auch wenn der Mief nur so rieselt – an der „Abendschau“ kommt keiner vorbei. So jubelte schon Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) den Quotenstar hoch: „Die ,Abendschau‘ ist für mich die wichtigste Informationsquelle.“ Schließlich waren die Rathausreporter stets dankbare Mikrofonständer. Wenn das jüngst abgenommen hat, liegt das nicht an aufmüpfigen Journalisten, sondern an der Quote. Monatelange Haushaltsverhandlungen brachten selbst zähe Rentner und Rechtschreibreformgegner zum Abschalten. Also lieber Gemenschel. Einer, der gerade eine Bude auf dem Gauklerfest aufbaut, darf was sagen, die Augenbraue entspannt sich zuverlässig. Und man weiß, es ist Feierabend.
Kirsten Küppers
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