■ III. Wahl: Kat-Zen
Was läuft eigentlich in den Dritten Programmen zwischen 17 und 20 Uhr? Zum Beispiel:
„Herrchen gesucht“, Mo., 19 Uhr, HR 3
Seit Jahren schon moderiert Barbara Tietze-Siehl eine wahre Kultsendung, das Wuff über Hessen. Die Mutter von vier Kindern ist eine Tiernärrin im besten Sinn, die in beherzten Privataktionen auch Viecher aus zu kleinen Zwingern befreit. Diese pragmatische Herzlichkeit vermittelt sich auch in ihrer halbstündigen Sendung, die ohne Vorspann gleich auf den Punkt kommt.
In jeder Folge treten drei Tierheim-Leiterinnen auf und suchen für blinde Zwerghasen, handzahme Steinmarder und Dackel mit Bandscheibenvorfällen ein liebevolles Zuhause. Auf dieser hessischen Arche Noah hat jedes Tier seinen Namen und wird frei nach Andy Warhol vor der Kamera für fünf Minuten zum Star. Die Vermittlungsquote ist hoch, doch weil die Sendung so viel Charme hat, gibt es auch eine hohe Dunkelziffer von Voyeuren, die ihr Quantum an Haustierbedarf über die telegene Distanz hinweg durch virtuelle Steicheleinheiten voll befriedigen.
Im Sinne von Ecos „offenem Kunstwerk“ bietet „Herrchen gesucht“ einen ästhetischen Mehrwert, der sich unter anderem in einer eigentümlichen Geheimsprache ausdrückt. „Dieser Hund kann alles und weiß alles“, er ist „freundlich mit Kindern“, „fährt ganz gut Auto“ und ist „gut als Zweithund“. Und da gibt es Daga und Melissa, „zwei Windhunde aus Madrid“, die „beinahe vergast“ worden wären. Im Hintergrund prangt das überdimensionale Foto einer Katze, deren geschlossene Augen der Sendung einen Hauch von Zen verleihen.
Katzen sind auch immer der Höhepunkt. Sanft ins Bild geschubst, krallen sie sich auf einem mit Teppichboden beschlagenen Podest fest, von dem sie schließlich mit dem Geräusch eines sich öffnenden Klettverschlusses wieder abgezupft werden. Dazu spricht die Moderatorin Barbara Tietze-Siehl geheimnisvolle Sätze wie: „Es ist viel netter, mehr als eine Katze zu beobachten.“ Genau.
Manfred Riepe
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