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■ III. WahlTauschgesellschaft

Was läuft eigentlich in den Dritten Programmen zur Primetime? Zum Beispiel:

„Biete Multimax, suche Ostseeplatz“, So., 20.15 Uhr, MDR

Während andere Dritte die ihnen Ausgelieferten am Wochenende mit einigermaßen Adäquatem beliefern – „Seeparkspiele“ oder sogar eine Familienserie – , muss der MDR wieder mal aus der Rolle fallen. Er erklärt, wie in der Zone Urlaub gemacht wurde.

Der ostdeutsche Durchschnitt ist da freilich gemeint. Dessen westdeutsches Pendant macht ja auf Mallorca gerade wieder kräftig Schlagzeilen, und man möchte ihm Tarifabschlüsse mit minus 20 Prozent pro Jahr rückwirkend bis 1826 wünschen, zu zahlen an freie Autoren, die sich 90 Minuten MDR angucken müssen. Denn mit dem Geld stellt der westdeutsche Tourist eh bloß groben Unfug an.

Für den Ostdeutschen spielte Geld keine Rolle. Und er wollte unter seinesgleichen bleiben. Für die Kinder Ferienlager, für die „anständigen und fleißigen“ Erwachsenen, die von den heißen Kämpfen an der Planerfüllungsfront ausspannen wollten, FDGB-Heime. Jede Menge O-Töne und O-Bilder erinnern die Umschüler und Vorruheständler in SaSaThü an die glorreichen Zeiten planmäßiger Urlaubsgestaltung und bieten ihnen ausgiebig Gelegenheit, die Mängel der entwickelten sozialistischen Gesellschaft konstruktiv wegzulachen. Denn an Mangelwaren war in der DDR kein Mangel.

Zum Beipiel individuelle Urlaubsgestaltung: in den sozialistischen Bruderländern oder an der beliebten Ostsee. Da musste man dann Beziehungen oder was Besonderes zu bieten haben. Thüringer Würste, einen Kasten Radeberger oder die missratene Tochter gegen einen Bungalowplatz. Der Fantasie und dem Willen zur Naturalienwirtschaft waren keine Grenzen mehr gesetzt. Die Betroffenen schätzen noch heute mehrheitlich ein, es sei schön gewesen so.

Später dann wurde dieser Tauschhandel auch mit Westdeutschen ausprobiert: Bieten Arschgeigenmentalität, suchen Plätze in Prager oder Budapester Botschaft. Das Ergebnis ist bekannt. Michael Rudolph

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