■ III. Wahl: Ganz famillionär
Was läuft eigentlich in den Dritten Programmen zur Primetime? Zum Beispiel:
„Deutsche Fürstenhäuser – Neuer Glanz auf alten Kronen“ (6), Di. 20.15 Uhr, HR 3
Die NDR-Sendung kommt tatsächlich aus Hamburg, behandelt ein urbayerisches Thema und läuft im Hessen-Fernsehen: „Deutsche Fürstenhäuser“, das klingt wie eine Drohung. Die dritten Programme machen aristokratisch mobil. Rolf Seelmann Eggebert, Leontine Gräfin von Schmertow und Istvan Bary führen Smalltalk mit den Wittelsbachern, der selbst Alfred Biolek die Schamesröte ins Gesicht treiben würde.
Wir erleben Schloss Nymphenburg „mit seinen gepflegten Parkanlagen“, hören die obligatorische Barockmusik, und der Herzog Franz erklärt uns eine Beuys-Zeichnung. Herzog Max hat Betriebswirtschaft studiert, um „das beträchtliche Vermögen der Wittelsbacher gut zu verwalten“. Prinz Poldi (55) ist „von Beruf Rennfahrer“, ein Verwandter hat ein Ritterturnier ins Leben gerufen. „Man konnte sich im Mittelalter ganz gut amüsieren, vorausgesetzt, man war Ritter und kein Leibeigener.“ Genau. Das Goldene Blatt ist Literatur gegen diese öffentlich-rechtliche Hofberichterstattung.
Man parliert mit freundlichen Fürsten, begleitet die Hochwohlgeborenen nach Florida, zur „Delphin-Therapie“ gegen den Autismus eines der adligen Sprösslinge. Das ist so schwül, das kann sich keiner ausdenken. Herzog Max hat fünf Töchter, „eine schöner als die andere“. Seine schwedische Ehefrau und Gräfin Douglas war „immer bemüht, die Kinder so normal wie möglich zu erziehen“. Man ist mit den Grafen halt, wie Heinrich Heine in seinen „Reisebildern“ sagte: „ganz famillionär“.
Und weil der legendäre Ludwig II. der Urgroßvater ist, gibt's auch einen Ausschnitt aus dem gleichnamigen Visconti-Film. Aber in den Kreis der „führenden Köpfe der Gesellschaft“, mit denen Herzog Franz den Austausch pflegt, wäre der schwule Regisseur nicht unbedingt eingeladen worden. „Deutsche Fürstenhäuser“, man muss sie einfach lieben. Manfred Riepe
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