piwik no script img

■ III. WahlWähle 0421/450148

Was läuft eigentlich in den Dritten Programmen mitten in der Nacht? Zum Beispiel:

„Musikladen“, Mi., 0.05 Uhr, N3

Zwischen einem sechs Jahre alten Beitrag über die Bananenproduktion in Guatemala und die Wiederholung des ARD-Vorabend-Dingens „Brisant“ hat N3 den „Musikladen“ vom 21. März 1973 plaziert. Ob wohl ein Konzept hinter einem derart anarchischen Programm-Mix steckt, wäre mal eine medienwissenschaftliche Untersuchung wert. Im „Musikladen“ von Manfred Sexauer (fanden wir als Kinder tierisch komisch, diesen Namen) und Uschi („Beatclub“) Nerke regierte an diesem Frühlingsabend eine Kapelle, die 50er- und 60er-Jahre-Hits coverte und aussah wie die Hausband einer Justizvollzugsanstalt, sowie der Oldtime-Jazzer Mr. Acker Bilk, der rauchte, während ihn Sexauer ansagte, und seine Zigarette danach an den Moderator weiterreichte. Seltsamerweise traten aber nicht nur solche Höllengestalten auf, sondern auch eine der besten Rockbands aller Zeiten (Thin Lizzy) und die Blödel-Pioniere Insterburg und Co. (mit Karl Dall in der Rolle des „Ivan Reblaus“). Zwischen den Band-Auftritten waren aus heutiger humorkritischer Sicht rätselhaft anmutende Kurztrickfilme zu sehen, die an Daumenkino erinnerten. Damals sollte halt für jeden etwas dabei sein, zielgruppenspezifische Unterhaltungssendungen waren noch nicht gefragt. Das Beste an diesem Museumsstück von Radio Bremen war das Insert „Bitte nicht anrufen! Wiederholung!“, das eingeblendet wurde, als Sexauer dazu aufrief, sich per Telefon einen Oldie zu wünschen. Dass die Sendung von vorvorgestern war, wäre aber vermutlich auch einem nordkoreanischen Landwirt oder einem Marsmenschen aufgefallen. Aber warum nicht einfach mal anrufen? Das fast flehentliche „bitte“ bei Wiederholungen von Sendungen mit Zuschauerbeteiligung suggeriert, dass vielleicht etwas Schlimmes passiert, falls man doch zum Hörer greift. Doch nichts dergleichen: Unter 0421/450148 hört man lediglich „Kein Anschluss unter dieser Nummer“. René Martens

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen