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IGM–Vorstand verwirft Stahlkonzept

■ Expertise der Arbeitgeber und der IG Metall Düsseldorf zur Bereinigung der Stahlkrise wird vom Vorstand der Gewerkschaft abgelehnt / Thyssen–Stahlkocher in Hattingen ebenfalls dagegen / Mahnwache hat begonnen

Von M.Kempe/J.Sonnenschein

Berlin (taz) - Wenn die Stahlwerker an der Ruhr am Freitag die Mitgliedszeitung ihrer Gewerkschaft aufschlagen, werden sie vergeblich nach einem klärenden Wort ihrer Gewerkschaft zu der akuten Entwicklung der Stahlkrise suchen. Zwar lagen Berichte über die Protestaktionen zum Beispiel der Hattinger Thyssenarbeiter vor der Düsseldorfer Konzernzentrale vor, aber die wurden auf Weisung des IG–Metall–Vorstandes zunächst zurückgehalten. Begründung: Eine abschließende Stellungnahme des geschäftsführenden IGM–Vorstandes zu einem in der letzten Woche bekanntgewordenen Expertenpapier zur sozialen Abfederung des unvermeidlichen Kapazitäten– und Personalabbaus im Stahlrevier, ausgearbeitet von Fachleuten der Stahlkonzerne und der IG Metall, könne erst am Dienstag, also nach Redaktionsschluß des Gewerkschaftsblattes, vorgelegt werden. Eine Berichterstattung über die Aktivitäten vor Ort ohne die richtungsweisenden politischen Festlegungen des Vorstands schien den Frankfurter Spitzenfunktionären nicht opportun. In seiner Stellungnahme vom Dienstag nachmittag schloß sich das Frankfurter Spitzengremium überraschenderweise der eher skeptischen Einschätzung an der Basis über das Expertenpapier an, an dessen Formulierung auf IG– Metallseite Fachleute der Frankfurter IGM–Wirtschaftsabteilung und des Düsseldorfer Zweigbüros beteiligt waren. Die Expertengruppe hat in dem Papier vorgeschlagen, daß 10.–12.000 Stahlarbeiter über Sozialplan ausscheiden, 6.000 innerhalb der Konzerne umgesetzt und für 2.–4.000 Betroffene Ersatzarbeitsplätze geschaffen werden. In einer Stellungnahme Steinkühlers am Dienstag nach der Vorstandssitzung hieß es dagegen, es sei in den Expertengesprächen nicht gelungen, „die beschäftigungspolitischen Vorstellungen der IG Metall ebenso zu konkretisieren und verbindlich zu machen wie die soziale Flankierung des nach wie vor geplanten Personalabbaus“. Die Forderung der IG Metall nach Beschäftigungsgesellschaften in der Trägerschaft der Stahlkonzerne habe nach wie vor Priorität für die Gewerkschaft. Die Durchsetzung der gewerkschaftlichen Prioritäten sei nur durch „verstärkten politischen Druck“ auf Regierung und Unternehmen und damit nur durch Mobilisierung in den Betrieben und in der Öffentlichkeit möglich“, erklärte Steinkühler. Am Dienstag begannen die Hattinger Stahlarbeiter als Auftakt zu einer Vielzahl weiterer Aktionen in Düsseldorf vor dem Sitz der Thyssen AG mit einer mehrtägigen Mahnwache. Am 23.Juni entscheidet der Aufsichtsrat der Thyssen Stahl–AG über die „Strukturmaßnahmen“, die in Hattingen die Reduzierung der Belegschaft von derzeit 4.700 auf 1.800 zum Ziel haben. Von dem in Düsseldorf residierenden obersten Thyssen– Chef, Dr. Spethmann, erwartet der Hattinger IGM–Bevollmächtigte Otto König während der Mahnwache die Konkretiesierung dessen Überlegungen, Ersatzarbeitsplätze nach Hattingen holen zu wollen. Gleichzeitig forderte König die Landesregierung am Dienstag auf, endlich mehr zu tun als „solidarische Grüße“ zu überbringen. Wie König ging auch der Hattinger Thyssen–Betriebsratsvorsitzende Rolf Bäcker am Dienstag deutlich auf Distanz zu dem in der letzten Woche bekanntgewordenen „Expertenpapier“ der Stahltarifpartner.

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