: IG Chemie will Kritiker loswerden
Weil sie die „falschen“ Aufsichtsratsmitglieder wählten, will Rappe Gewerkschafter ausschließen ■ Aus Mannheim Rolf Gramm
IG Chemie-Chef Herrmann Rappe geht wieder mit dem Ausschlußknüppel gegen Kritiker aus den eigenen Reihen vor. Treffen soll es diesmal die gesamte elfköpfige Vertrauenskörperleitung der IG Chemie im Pharma-Unternehmen Boehringer Mannheim. Unter den vom Ausschluß Bedrohten sind u.a. der Bertriebsratsvorsitzende und sieben weitere Betriebsräte. Vorgeworfen wird den Gewerkschaftern, daß sie sich von den IG Chemie-Bossen nicht vorschreiben ließen, wen sie in den Aufsichtsrat „ihres“ Unternehmens zu wählen haben. Am Freitag dieser Woche müssen die Vertrauensleute die zum Auschlußverfahren gehörige Anhörung über sich ergehen lassen. Die IG-Chemie-Führung begründet ihren Ausschlußantrag damit, daß die Boehringer Vertrauensleute angeblich bei der diesjährigen Aufsichtsratswahl gegen die Gewerkschaft agiert hätten, wodurch letztendlich die Kandidaten der IG Chemie bei der Wahl durchgefallen seien. Passiert war folgendes: Der Hauptvorstand hatte gegen den erklärten Willen der Vertrauensleute und der Wahlkonferenz u.a. den Hannoveraner SPD-Bundestags Fortsetzung auf Seite 2
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abgeordneten Gerd Andres mit einem Aufsichtsratsposten beehren wollen. Die Boehringer-Vertrauensleute hatten der Gewerkschaftsführung dagegen vorgeworfen, gegen demokratische Spielregeln zu verstoßen, wenn sie in der Frage der Kandidaten von den betrieblichen Gewerkschaftern quasi Gehorsam fordere, anstatt sich mit ihnen einvernehmlich auf einen Kandidaten zu einigen, wie es die Satzung fordere. Die Vertrauensleute verlangten zudem, daß der zu wählende Gewerkschaftsvertreter seine Aufsichtsratstantiemen vollständig für gewerkschaftliche Zwecke zur Verfügung stellt, statt einen Anteil von immerhin 5.000DM jährlich für sich oder für die Absicherung eines Bundestagsmandats zu behalten. Nachdem der Hauptvorstand sich nicht zu Kompromissen bereit erklärte, verzichteten die Boehringer-Gewerkschafter zwar auf eine eigene Liste zur Aufsichtsratswahl, in der geheimen Wahl fielen Rappes Kandidaten aber durch. Stattdessen wurde je ein Kandidat der Deutschen Angestellten Gewerkschaft (DAG) und des „Verbands Angestellter Akademiker“ berufen. Sich gewerkschaftsschädigend verhalten zu haben, weisen die Vertrauensleute weit von sich. Normalerweise kann ein Ausschlußverfahren in der IG Chemie nur eingeleitet werden, wenn der Vorstand der bezirklichen Verwaltungsstelle einen Ausschlußantrag stellt. Um den Ausschluß selbst zu betreiben, mußte der geschäftsführende Hauptvorstand die Angelegenheit zum “ schwerwiegenden Fall“ erklären. Nachdem der Bundesgerichtshof sehr enge Grenzen für Gewerkschaftsausschlüsse setzte, würde ein Ausschluß der Boehringer-Leute wahrscheinlich vor den Gerichten keinen Bestand haben. Allerdings: Sobald der Ausschluß beantragt ist, ruhen sämtliche Gewerkschaftsfunktionen der Betroffenen. Beim Gewerkschaftstag der IG Chemie im September könnten die Boehringer Delegierten nicht auftreten.
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